Age of Less: Ein Buch über die Umkehr zum Weniger aus wirtschaftlicher Sicht

Dieses Buch hat meinen Flug echt verkürzt. Jetzt halte ich an diesem „Zwickeltag“ ein paar Eindrücke fest, nicht als Rezension, sondern als „Richtungsweisung“. Kevin sitzt mit mir auf der Veranda. Er hat seinen Job als Biologe in Florida verloren und will nun in New Orleans Fuß fassen. Es ist zwar kühl, aber ein gutes „Arbeitsklima“ mit schönen „Nebenbeigesprächen“.

Weiterso gegen Andersweiter

Schon im Vorwort weist Bosshart auf die folgenreichste Veränderung hin. Wir gehen vom „alt, weiß, männlich, satt“ hinüber zum „jung, asiatisch, weiblich, hungrig“.  „Es wird für uns kein „Weiterso“ geben, sondern nur ein „Andersweiter“. Dafür werden wir lernen müssen, zu verstehen, zu teilen, zu umsorgen“, ist Bosshart überzeugt. Er beschreibt mit einer für mich prophetisch-moralischen Dringlichkeit unsere Situation. Ich höre auch einen beschwörenden, einen „einschwörenden“ Ton mit in den gemeinsamen Anstrengungen auf Zukunft hin. „Auf fette Jahre warten wir vergeblich – aber gute Jahre können wir erreichen.“

Zehn Thesen

In zehn Thesen verschafft der Autor dem Leser, der Leserin den Zugang zum Less, zum Weniger.  Es geht um eine vernünftige Erwartungshalten jedes einzelnen.  Die Wirtschaft beschreibt er als angstgetrieben:  Angst vor  Versagen, Jobverlust, Kontrollverlust, Überschuldung, Image- und Reputationsverlust,  Angst vor dem Abstieg.  Die zentrale Haltung, gegen die Bosshart anschreibt, ist das „immer noch Mehr vom selben“. Ich-AG-Systeme werden transformiert in gegenseitige Support-Systeme.  Die Sinnfrage ist nur gemeinsam zu lösen und nicht einfach individuell. Urchristlich. Nicht noch mehr Druck, sondern  neue Gleichgewichte statt Gefälle schaffen. „Groß, abstrakt und komplex“ sind nicht die Erkennungszeichen der Zukunft.  Masterpläne von ober werden nichtmehr funktionieren.  Macht, Geld und Überlebenschancen müssen immer örtlich rückgebunden sein. Vor dort entsteht Sinn und Übersicht. Das bestärkt mich in meinem Thema: Gebt dem Volk, was dem Volk gehört. Lokal. In die Nachbarschaften und Commons.  In die echten einander supportenden „Beziehungsgeflechte“. Sie zeichnen sich durch Musik und Feiern aus. Ich bin in New Orleans. Die Einstiegsbarrieren für neue Kooperationen liegen tief. Die Möglichkeit der neuen Medien sollten hier mutig und innovativ genutzt werden. Intrinsisch motivierte Jobs ersetzen  die extrinsischen Sicht-  und Handlungsweisen.

Resilienz-Robustheit

Und dann schreibt er. „Von der Effizienz zur Resilienz-Robustheit als Basis-Strategie für die Zukunft.“  Aber: Nicht, um das Eigene zu retten, sondern gemeinsam den Weg in die Zukunft zu finden. Partizipation und Involvierung. Das ehrliche Bemühen fehlt mir bei Academia.  Lineare Entwicklungen sind mehr zu erwarten und nicht sinnvoll. „Noch mehr geht nicht mehr.“  Bei allem hat die Nachhaltigkeit (Enkeltauglichkeit) Vorrang. Wohin führt das? Wohin gehen wir? – sollten tägliche Standardfragen sein. Ganz ehrlich: Die Natur braucht uns nicht – wir sie. Das einzugestehen ist von enormer Bedeutung. Nicht die Natur leidet, sondern in Folge wir. Das kränkt uns und dagegen wehren wir uns. Wir sind wieder beim Angstfaktor. „No fear“ hat einer an mir hier „gesehen“.  Es gibt keine geschlossenen Kathedralen mehr. Wir leben iin offenen Bazars. Dort geht es nicht ums Geschäft, sondern um Beziehung. Der Ausgang ist offen – alles in Schwebe. Schwer zu ertragen. Persönlich Anmerkung: Wer glaubt, ist gehalten. Das macht frei.

Schnelle Anpassung

Die schnelle Anpassung an Veränderung  ist der Schlüssel. Kath. Kirche ist weit entfernt.  Selbstreferentiell auf den oberen Etagen und deshalb für konkrete Lebenssituationen  „irrelevant“. That‘s it. Und: „Verantwortung beginnt bei Ihnen und bei mir“, meint Bosshart immer wieder und spricht vor allem an, „dass wir keine Wachstumssklaven sein müssen und den Konflikt Mensch-Maschine  aufnehmen müssen, weil dieser weit raffinierter angelegt ist als der Mensch-Mensch.“  Wir brauchen uns auch nicht als hedonistische Tiere gebärden und diese „freiwillige Selbsterniedrigung und Banalisierung mitmachen“. Beschwörend meint Bosshart am Ende  zum Age of Less: „Es braucht alle Ressourcen, Kreativität und Imaginationskraft.“ Ja, das wird es brauchen.

Doppeltes Unbehagen

Bei mir selber spüre ich ein doppeltes Unbehagen.  1. Diese derzeitige Politik kann mit dem „Weniger“ absolut nichts anfangen.  Alle Energien und Inszenierungsmuster gehen immer auf das „Mehr“. Dem will ich nicht dienen.  2. Diese heutige „Elitenkirche“ hat alle moralische Autorität in Nebengeleise wie Sexualität verspielt und kennt und kennt „ganz oben“ auch nur eine Frage: Wie werde ich Kardinal. Dort schließt sich der Kreis zur Politik. Beide – Politik und Kirche – haben keine gestaltende, orientierende Kraft bei den Menschen. Aber wie heißt es oben:  Verantwortung beginnt bei Ihnen und bei mir.