Whould Jesus occupy Wall Street? – CNN asks today

Mein erstes Frühstück in den USA. In guter amerikanischer Manier läuft der Fernseher. Fast alles Plastik. Es stimmt: In der Fremde darf das Fremde ruhig etwas fremd sein. Darauf habe ich mich eingestellt. Schon seit etwa 15 Minuten wird aus den verschiedenen „Occupy Stations“ auf CNN berichtet – auch aus Europa. Gegen Ende stellt der Reporter die Frage des Tages: „Hätte Jesus auch die Wallstreet besetzt?“ Dahinter läuft das Bild vom Papst, der die Antwort geben soll. Erstaunlich, dass Occupy so viel Platz hat und dass die Antwort von Jesus vom Papst gegeben werden soll. Irgendwie befremdlich – für mich.

Engel auf meinem Weg

Erstmals betrete ich amerikanischen Boden. Der amerikanische Way of Life war nie wirklich anziehend für mich. Zu viel läuft aus meiner Einschätzung „schief“. Jetzt aber ist es New Orleans – etwas ganz Besonderes. Das ist meine Erwartung für die nächsten vier Wochen. Der Flug über den Atlantik nach Charlotte dauerte über 9 Stunden. Ein junger Inder war mein Sitznachbar und er war schon 8 Stunden von Bombay nach München unterwegs. Er ist Programmierer und wird in den USA arbeiten. Er schläft die meiste Zeit und ich vertreibe mir die Zeit mit dem Buch von David Bosshart „Age of Less“. Es war spannend und so verging die Zeit wie im Flug. Zum Umsteigen in Charlotte habe ich 1 Stunde 25 Minuten. Das ist knapp, sagen alle, die Erfahrung haben. Wir stehen Schlange vor der Einreise. Nach 45 Minuten bin ich dran. Fingerabdrücke, Foto, konkrete Fragen zu meinem Aufenthalt, Durchwinken, Koffer holen, Zoll, Koffer wieder aufgeben, Laufen, neu einchecken auf der Überholspur „first class“, Laptop nicht ausgepackt, kurze Nachkontrolle, Gate C12, Sprint, hinein in den Flieger, alle sitzen, Platz suchen, setzen, durchatmen, der Flieger bewegt sich. Zwei Stunden Flug, die ich einfach genieße, weil ich mit an Board bin. Den Namen des Vorarlbergers, der für die Firma Blum-Beschläge in der Schlange neben mir stand, habe ich nicht mehr erfragt. Wir haben einander viel erzählt und nun weiß ich nicht einmal, wie er heißt. Ich wurde Gott sei Dank schnell durchgelassen. Am Flughafen in New Orleans fragte mich ein älterer Herr mit Rucksack, ob ich Hilfe brauche. Yes. Er hat mir den Bus in die Stadt hinein (ca. 14 km) bezahlt und mir allerhand erzählt. Mein Englisch hat doch im letzten Jahr zugelegt. Er war in den Rocky Mountains wandern. Ein ältere Frau habe ich – es ist schon finster – auf der Strasse gefragt und sie hat mir nach 21 Stunden (inkl. 7 Stunden Zeitverschiebung) geholfen, ein Hotel zu finden. Ich bin dankbar, weil so viele Engel am Weg sind.

Unglaubliche Vielfalt

Nach dem „kontinentalen Frühstück in Plastik“ (siehe oben) mache ich mich auf den Weg, die Stadt zu erleben, wahrzunehmen mit Achtsamkeit und eine einfache und billigere Unterkunft zu finden. Halloween, Allerheiligen und die Woodoo-Tage ziehen enorm viele Leute an. Das wird nicht einfach. Zuerst schlendere ich durch die Stadt und treffe „zufällig“ den Bus 55 zur UNO (University of New Orleans). Ich steige ein und suche dort das Austria Center. Eine Tür mit A-Pickerl zeigt mir: hier bin ich richtig. Frau Griessner und ihre Kollegin empfangen mich freundlich. Am Tisch liegt das Buch „Resilience and Opportunity“. Das ist mein Thema. Sie gibt mir den Kontakt zu einem Studenten, der dazu die Diplomarbeit schreibt. Meine gesuchten „Commons“ sieht sie nicht wirklich, höchstens im „Housing Project“. Das ist doch etwas. Sie weist mich auf das „department for urban studies“ hin und weiß von einem Ausbildungstool auf der Uni im „Desaster Mangement“.  Mit diesen „Links“ fahre ich mit dem Bus wieder zurück in die City. Die UNO liegt nämlich auf der anderen Seite der Stadt am „Lake“, über den eine unendlich lange Brücke führt, die ich vom Flieger aus gesehen habe. Mir wird bei der Fahrt mit dem Bus klar: Die Stadt ist geprägt von Einfamilienhäusern – zum Großteil billig gebaut. Es steht noch viele Häuser leer, andere wurden abgerissen. Davon zeugen die leeren Parzellen. Mir wird wieder bewusst: Ich habe noch keine Unterkunft. Zurück in der City in der Canal-Street komme ich mit einer jungen Frau in einem Geschäft zu sprechen. Sie klemmt sich sofort hinter das Telefon und sucht für mich. Es gelingt nicht sofort. Während sie schaut, gehe ich zum Missisippi. Ich sehe mit Achtung diesen breiten Fluss, der seinen Wasserspiegel höher als die Stadt führt.

Das Haus weggespült – nach 3 Wochen Frau tot gefunden

In einem Cafe beginne ich mit einem Mann ein Gespräch. In dieser Stadt ist das nicht schwierig, wie ich sehr bald sehe. Ich erzähle ihm, was ich vor habe. Er erzählt mir, dass er auch erst seit ein paar Tagen wieder zurück ist in New Orleans ist. Er hat bei Katrina 2005 seine Frau und die Eltern der Frau verloren. Sein Haus wurde weggespült und nach 3 Wochen hat er seine Frau tot gefunden. Am kommenden Dienstag beginnt er wieder eine Arbeit als „Constructor“. Er hat nasse Augen – ich auch. „If you want, I can show you the place“, meint er. Wir treffen uns morgen um 10 Uhr. Sprachlos und etwas betroffen kehre ich zu jener Frau zurück, die für mich auf Zimmersuche ist. „Es ist sehr schwer in diesen Tagen“, meint sie: „aber ich habe etwas für sie gefunden.“ Ich fahre mit dem Bus zum St. Vincent Guesthouse und dort beziehe ich im Dorm 2 ein Bett. Das Haus wurde 1861 als Waisenhaus errichtet. Hier werde ich für eine Woche meine Schlafstätte haben – und das WLAN nutzen. Schon der erste Tag hat gezeigt: diese Stadt ist von einer unglaublichen Vielfalt geprägt. Dem nachzuspüren wird mein Hier-Sein prägen. Neugierige Empathie kommt auf. Und eines bin ich mir sicher: Jesus würde gegen die säkularisierten Pharisäer und Mächtigen auf die Straße gehen. Da bin ich mir sicher.

3 Kommentare

    • Alesa auf 27. Oktober 2011 bei 13:35

    Ja, die Amis sind manchmal schon echt komisch. Ich selber bewundere ja deinen Mut, dich auf ein echtes amerikanisches Frühstück einzulassen. Als ich vor ca. einem halben Jahr einen US-Trip gemacht habe, habe ich mir eine riesen Menge von Schwarzbrot in meinen Rucksack gepackt. ;-)) Ne, die Amerikaner sind mir da echt zu strange mit ihren Frühstücksvorlieben .. ^^

    • Regina Ramsebner auf 27. Oktober 2011 bei 14:46

    Mich zieht es nicht über den „großen Teich“, aber ich freue mich, so lebendig und interessant davon zu lesen.
    Viel Glück und Segen auch weiterhin und noch viele Engel, die dir begegnen!
    Regina

    • Kathie auf 30. Oktober 2011 bei 19:49

    Schöner Artikel, vielen Dank. Ich war im letzten Frühling selbst für fünf Tage in New Orleans und bewundere sehr die Bewohner und ihre Kraft, alles wieder aufzubauen und den Mut nicht zu verlieren. Man mag ja über die Amerikaner Denken, wie man will, aber diese Mentalität ist schon irgendwie typisch amerikanisch.

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