Apokalypse und die Welt geht sicher nicht unter

Schon bei der Familienmesse in aller Frühe haben junge Mütter den Kindern erklärt, dass die Sekunden-, Minuten- und Stundenzeiger der Uhr immer weiterlaufen, wenn (und sie zeigen dann recht anschaulich die Rückseite) das Uhrwerk gepflegt, geschmiert und gewartet wird. Das Schmiermittel der Familie – so ihre Analogie – ist Liebe zueinander, Respekt, Wohlwollen und Zeit füreinander.

Die Welt geht nicht unter

Die mir bekannten Koordinaten Christian Schüle (Autor des absolut lesenswerten Buches „Vom ICH zum WIR“), Kepler Salon und das Thema „Philosophie der Apokalypse – 2012 und der Weltuntergang“ haben am Muttertag 2012 zusammengesucht. Schüle beginnt seine 15 Thesen mit dem für alle BesucherInnen beruhigenden Satz. „Die Welt geht nicht unter – glauben sie mir.“ Und er hat die Aussage durch alle Dimensionen „bewiesen“. Trotz der apokalyptischen Ausführungen des Johannes und trotz der apokalyptischen Medienwelt heute ist klar, dass die Welt bestehen bleibt und genauso dazu das „Geschäftsmodell
Weltuntergang: Mit Angst lassen sich die Menschen gut unterkriegen und in Abhängigkeit halten.“ Er beschreibt die Lust an der Sensation des Rekordes und die Fernsehkultur als Todeskultur. Im Circus Maximus des Aufmerksamkeitswettbewerbes wird das Subjekt entmündigt. In einer auf Erregung und Empörung angelegten Mediengesellschaft wird die Destruktion und die Angst „bedient“. So lässt sich alles kontrollieren und in Abhängigkeit halten. Es würde uns unendlich befreien, wenn wir dieses Spiel mit unserer Angst durchschauen würden.

Die Angst vor dem sozialen Tod ist größer als die vor dem individuellen Sterben

Schüle berichtet von verschiedensten Studien, die auf unterschiedliche Art den einen Befund herausarbeiten: Der Mensch hat vor dem „sozialen Tod“ mehr Angst als vor dem individuellen Sterben. Er fürchtet sich mehr davor, dass seine Bezugsgruppe ausgelöscht wird oder aufgrund mangelnder Kinder oder Nachkommen ausstirbt: Die Familie, der Verein, das Dorf, die Nation könnte untergehen. Es ist Muttertag an diesem Tag. Schüle spricht immer von „bei uns in Deutschland“ und ist sich nicht sicher, ob das alles auch für Linz und Österreich gilt. Er stellt fest: „Der Mensch vergißt sich derzeit in unseren Breiten selbst weiterzuproduzieren.“ Das macht Angst, wenn keine Nachkommen da sind. Und diese Angst wird „mit der Technik bearbeitet“. Deshalb steht die Technik so hoch im Kurs, weil der Mensch der Illusion nachläuft: Damit kann ich meine Angst in den Griff bekommen. Schüle spricht dann viel von Neuschöpfung: „Wir haben Zukunft, wenn wir von der Abschöpfung in die Neuschöpfung kommen.“

Ich sehe die Familien vor mir, die in einem offenen Miteinander die „Familienuhren“ gut schmieren und so für mich diese „Neuschöpfung“ leben. Auch in der Medienwelt sollten „Neuschöpfungsgeschichten“ immer wieder eingebracht werden. Das zeichnet das Schaffen Schüles aus. Es ist auch seine Erfahrung und er ermutigt, dass diese Geschichten eine Chance haben gegen die allseits üblichen Untergangs, Katastrophen- und Todesgeschichten.

 

 

Grenzgänger, Pioniere und Mutmacher

Wenn du eine Aufgabe als Berufung erlebst, folgt die Aufmerksamkeit und Energie. So erlebe ich mich derzeit. Die neue Aufgabe mit und bei den Orden in Österreich hat nicht nur mein volles „Interesse“ geweckt, sondern auch die Wahrnehmung dorthin gelenkt. Es ordnet sich gerade alles, damit es Mitte Juni in Wien gut losgehen kann. In einzelnen Begegnungen im Vorfeld bestätigt sich das, was ich über Jahre im Umfeld der Orden gesehen habe. Hier sind Grenzgängerinnen und Grenzgänger, Pioniere und Pionierinnen, Mutmacherinnen und Mutmacher am Werk. Da kann der allgemeine mediale Blick noch so auf die Schatten der „dunklen Wolken“ fokussiert sein,  so erlebe ich „gstandene, weltoffene, mutige und am Geist des Evangeliums orientierte Verantwortliche“.  In allem gilt die Erfahrung: Der ungeschminkte Blick auf die Realität beinhaltet das größte Veränderungspotential.“ Das Schattige und das Helle ohne Brille ansehen, anfühlen, heranlassen.

Die Chance auf Morgen hin sind „handfeste Personen“

Wenn heuer einige Stifte wie Seitenstetten oder Herzogenburg 900 Jahre feiern, dann ist das immer auch verbunden mit der Besinnung auf die „mission“. Schon bei meinem Gehen ins Kloster Volkenroda in Thüringen war am Weg immer zu spüren: Das alles hat mit Pionieren und Grenzgängern begonnen. So hat auch das Stift Seitenstetten den Abtprimas Notger Wolf OSB zum Jubiläum eingeladen und eine Facebook-Freundin aus Niederösterreich fasst seinen Vortrag vom 10. Mai mit Stichworten so zusammen:

  • Oft binden wir amtskirchlich den Geist sehr fest an.
  • Kirche hat Zukunft – aber nur, wenn ihr der Durchbruch ermöglicht wird.
  • Problem der Delegation nach oben – nicht immer nur alles nach oben schieben im Sinne von „das muss Rom entscheiden“, wie es die Bischofe tun.
  • Als Eigenschaften von Pionieren nennt er:
    ein offenes, mutiges Herz – eine Vision, die sie trägt – eine Stragie, die dem ganzen zur Umsetzung und zum Durchbruch verhilft – und eine Entwicklung dessen, was grad dran ist – Zeichen der Zeit wahrnehmend – Feuer haben und weitergeben – zielstrebig sein und nicht aufgeben – im „trotz-dem“ leben können – Liebenswürdigkeit nicht durch andere umbringen lassen – schimpfen bringt nicht weiter – die Botschaft trotzdem und freudig weitergeben – „Sind wir ein Beispiel der Liebe nach außen, wenn uns die anderen von innen kennen würden?“ – einfallsreicher sein.

Wenn das alles von einer Zuhörerin „aus dem Stand heraus“ so zusammengefasst wird, dann hat dieser Mann „einen bleibenden Eindruck“ hinterlassen, „eine Spur in die Zukunft gelegt“. Eine gute gesellschaftliche Entwicklung braucht diese weltoffenen und tief gläubigen Spuren durch die Frauen und Männer in den Orden.

Pilgervision: Nachhaltige Werte und ein Friedensweg aus dem Herzen Europas

Schon vor längerer Zeit habe ich Otto Klär und Johannes Aschauer kennengelernt. In der Entstehung des Buches „Auf dem Jerusalemweg“ haben Johannes und ich ein paar Mal Kontakt zueinander. Dass die drei Pilger mit ihren Erfahrungen nach Kirchschlag kommen, war mir ein Herzensanliegen. Noch dazu wollte ich David Zwilling persönlich treffen. Ich wusste, dass ihre Geschichten und Erfahrungen „Spuren hinterlassen“ werden. So kam es auch.

Erfüllter Raum

Etwa 200 BesucherInnen sind schließlich den Erzählungen, Bildern und Filmen von Johannes Aschauer, Otto Klär und David Zwilling in der St. Anna Kirche auf ihrem „Jerusalemweg“ gefolgt. Berührt und staunend haben die Menschen den Abend erlebt. Eine Besucherin bedankte sich in einem Email mit den Worten so: „Meinen Linzer Freunden habe ich auch schon vom Vortrag vorgeschwärmt. Sie haben ja noch die Möglichkeit, sich diesen in Linz anzuhören und anzusehen. Berührend für mich war auch, dass viele Leute Tränen in den Augen hatten. Das Ausklingen des Filmes mit dieser wunderbaren Musik war wunderbar.“ Ich selber habe den Pilgern aus der letzten Reihe zugehört und zugeschaut. Die riesige Leinwand hat der weiten Distanz nichts anhaben können.

Der weite Weg des Friedens und der Werte

In sechs Montaten haben die Pilger 4.500 Kilometer zurückgelegt und dabei 10 Länder durchquert auf den Spuren des Hl. Paulus und des 3. Kreuzzuges. Vieles geht den drei Pilgern durch den Kopf. Die Motivationen sind unterschiedlich. David Zwilling ist überzeugt, „dass wir für ein neues Wirtschaften 12 Werte in den Mittelpunkt stellen müssen: Familie, Friede, Glaube, Soziale Einstellung, Freiheit, Respekt, Hoffnung, Zusammenarbeit, Freude, Ehrlichkeit, Toleranz und Verantwortung.“ Johannes Aschauer ist überzeugt, „dass mit dem Jerusalemweg ein neuer Friedensweg aus dem Herzen Europas, aus Österreich geboren wurde.“ Er hat die Vision, dass der Jakobsweg „umgedreht“ wird. Otto Klär hat von dieser Pilgerreise etwa 20 Stunden Filmmaterial und 13.000 Fotos mitgebracht. In jedem Fall lohnt es, sich mit dem Buch zu beschäftigen und den Erzählungen zu lauschen. Auf jerusalemweg.at sind alle weiteren Termine und Infos zu finden. Es war ein guter Abend und mit meinen Erfahrungen konnte ich „gut mit pilgern“.

 

Es gibt sie, die „Handyfinder“ und „Briefmarkenverlängerer“

Die Welt ist besser als ihr veröffentlichter Ruf. Hier ist die Rede von Menschen, die den Ruf verbessern. Der Nebeneffekt: Ich wurde absolut positiv überrascht. Mein Missgeschick wurde von anderen aufgehoben und nicht links liegen gelassen.

Handy hinterlegt

Schön langsam gehen meine Gedanken nach Wien. Vorfreude, Energie und gute Wünsche helfen den Gedanken beim Gehen. Natürlich ist damit verbunden, dass alte Gewohnheiten zurückstecken müssen und neue Wege und Rituale sich anbahnen. Klar ist, dass ich mich zu 99% auf öffentlichen Verkehrsmittel bewege. Das Auto ist mir in letzer Zeit ohnehin sehr verdächtig geworden. Mein Smartphone (um keine Marke zu nennen) bleibt mein treuer Begleiter. Bis gestern nachmittag. Es bleibt noch Zeit bis zu einem Termin. Ich gehe in den Alten Dom und nehme jene Schriften mit, die die Jesuiten dort den BesucherInnen anbieten. Damit setze ich mich auf ein Hauptplatzbankerl und lese darin. Das Handy für mich ungewohnt in der Tasche hinten. Wolfgang kommt zufällig vorbei, aufstehen, setzen, nettes Gespräch, aufstehen, setzen, lesen, aufstehen und zum Termin gehen. Nach etwa 10 Minuten merke ich: Das Handy ist nicht mit mir. Losstarten Richtung Hauptplatzbankerl und beim Laufen den Hl. Antonius anrufen. Er kümmert sich um Verlorenes. Kein Handy am Bankerl. Die dort sitzende Familie hat keines gesehen. Rundumblick. Nichts zu sehen und zu spüren. Verlust liegt in der Luft. Ein mulmiges Gefühl steigt auf. Nicht der Wert des Smartphones, sondern die aktivierten Funktionen beschäftigen mich. Was tun? Ich gehe zum Termin und bitte Georg, dass er mir sein Handy borgt, damit ich mein Handy anrufen kann. Erster Versuch. Sprachbox. Drei Minuten später meldet sich beim zweiten Versuch eine tiefe Stimme: „Hotel Wolfinger, Rezeption. Ja, das Handy wurde von zwei Touristen bei uns abgegeben. Sie haben es auf der Bank am Hauptplatz gefunden und sich gedacht, dass es hier in der Rezeption gut aufgehoben ist.“ Ich schließe die Augen, atme durch und weiß: Es gibt sie, die Menschen…

28 Cent fehlen

Ein Brief an den Landeshauptmann war angesagt. Ein Blatt Brief und zwei Blatt Beilage. Ein C6-Kuvert und 62 Cent Marke und für den Briefträger einfach hinaus auf meinen Postkasten. Der Briefträger nimmt solche Briefe immer mit. Danke. Auch heute. Aber. Am Nachmittag steht unser Nahversorger Thomas an der Haustür. Er betreibt auch die Postpartnerstelle. Er ist extra vorbeigekommen, zeigt mir den Brief und meint, dass 28 Cent fehlen. Ich bin überrascht und glaube es ihm. Ich gebe ihm die Cent und er rauscht wieder ab: „Sonst wäre der Brief wieder zurückgekommen“. Immer noch etwas staunend stehe ich in der Haustür und denke: Es gibt sie, die Menschen….

…verantwortlich handelnde…

Dieser Tage habe ich wieder im Buch von G. Hüther, Was wir sind und was wir sein könnten, gelesen. Er schreibt dort über jene Menschen, die eine Transformation in die Freiheit geschafft haben: „Ihr Geheimnis ist ihre besondere Haltung: Offenheit, Verlässlichkeit,  Vertrauen, Dankbarkeit, Bescheidenheit, Achtsamkeit, Zugewandtheit und über allem: die Liebe. Diesen durch Erfahrung gereiften Menschen ist das Wohlergehen anderer Menschen wichtiger als ihr eigenes.“ Ich bin unendlich dankbar, dass ich dieser Tage eben jenen Menschen begegnet bin, die mein Missgeschick nicht ausgenutzt oder links liegen gelassen haben, sondern mir entgegengekommen sind.  In den „Mitteilungen der österreichischen Jesuiten“ lese ich am Hauptplatz eine Buchempfehlung. „Danke tausendmal. Warum es sich lohnt zu leben.“ von Gustav Schörghofer. Das Buch werde ich gleich bestellen. Weiterwachsen in Dankbarkeit.

 

Leiter des neuen Medienbüros der Ordensgemeinschaften Österreich

Mit der folgenden Pressemitteilung wurde von P. Erhard Rauch und Sr. M. Cordis Feuerstein meine neue Aufgabe in Wien heute bekannt gemacht:

Ferdinand Kaineder wird Leiter des neuen Medienbüros der Ordensgemeinschaften Österreich

Die Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs und die Vereinigung der Frauenorden in Österreich werden für die Intensivierung ihrer internen und externen Medienarbeit ein Medienbüro einrichten. Als Leiter und Mediensprecher wird der Theologe und Medienexperte Mag. Ferdinand Kaineder ab Mitte Juni seine Tätigkeit aufnehmen und als Ansprechperson für Medienschaffende zur Verfügung stehen.

„Wir haben Ausschau gehalten nach einer Person, die die kirchlichen Vorgänge gut kennt und ein Insider ist“, betont der Generalsekretär der Männerorden P. Erhard Rauch: „Es war uns ganz wichtig, einen Experten zu finden, der auch in den neuen Medien daheim ist und den Bereich Social Media aus eigener Erfahrung kennt.“

Darüber hinaus meint Rauch: „Außerdem waren wir auf der Suche nach einem eher ‚bunten Vogel‘, der uns mit neuen und vielleicht ungewöhnlichen Ideen und Vorschlägen dabei behilflich ist, einen guten Weg in die Zukunft zu gehen und von dem wir wissen, dass er immer loyal zur gestellten Aufgabe und zu den jeweiligen verantwortlichen Personen war.“
Rauch verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass sowohl die 85 Männerorden als auch die 113 Frauenorden intensiv an ihrer jeweiligen Zukunft arbeiten.

Der 54-jährige Ferdinand Kaineder stammt aus Oberösterreich, ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. Er war Erzieher am Kollegium Petrinum, Pastoralassistent in der Dompfarre Linz, Ausbildungsleiter für die Theologiestudierenden und hat ab dem Jahr 2000 das Kommunikationsbüro der Diözese Linz aufgebaut und geleitet. Nach seiner Entpflichtung im Juli 2009 pilgerte er zu Fuß nach Assisi. Von 1. Februar bis 31. Dezember 2010 war er Leiter der Citypastoral in Linz bevor er im Jahr 2011 als Geschäftsführer von Academia Superior, einem Think Tank für Zukunftsfragen tätig war. Kaineder ist ein ausgewiesener Experte im Bereich Non-Profit-PR und einer, der immer wieder neugierig das Neue sucht.

Fakten

1.545 Ordenspriester und 516 Ordensbrüder wirken in 85 Männerorden in Österreich.
4.243 Ordensschwestern sind in den 113 Frauenorden in Österreich tätig.
Propst Maximilian Fürnsinn vom Stift Herzogenburg ist Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs.
Sr. Kunigunde Fürst (Franziskanerin Vöcklabruck) ist Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden in Österreich.

Rückfragen:
P. Erhard Rauch, Telefon: 01/535 12 87/0
Mag. Ferdinand Kaineder, 0699/15 03 28 47.

P. Erhard Rauch, Generalsekretär der Superiorenkonferenz der männlichen Ordens­gemeinschaften Österreichs
Sr. M. Cordis Feuerstein, Generalsekretärin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs

Gastkommentar für Altenberg: Orte der gemeinsamen Verantwortung schaffen

Von unserem Nachbarort Altenberg aus wurde ich eingeladen, einen Gastbeitrag mit meinen Erfahrungen hier in Kirchschlag in Zusammenhang mit den Neubau des St. Anna Pfarrzentrums zu formulieren. Im Mai geht es dort unter dem Titel „Orte der gemeinsamen Verantwortung schaffen“ an alle Haushalte. Gerne stelle ich unsere Erfahrungen, Beweggründe und Fakten „den Nachbarn“ zur Verfügung:

„Meine Überzeugung und Erfahrung: Die Zeit des Besitzens und des reinen Privateigentums geht zu Ende. Die Zeit des „sharings“ dämmert schon herauf und die jüngere Generation zeigt uns, dass etwas nutzen können vor dem besitzen kommt. „Commons“ rücken wieder ins Bewusstsein. Dieses Umdenken muss wahrscheinlich in den örtlichen Vereinen, den Gemeinweseneinrichtungen und der Kirche wachsen. Das Schlagwort müsste sein: Gemeinsam schaffen, gemeinsam nutzen, gemeinsam verantworten.

Ein Pfarrzentrum für und mit allen

Für uns in Kirchschlag war das der „background“ für alle Überlegungen und vorbereitenden Aktivitäten beim Neubau des St. Anna Pfarrzentrums. Wir haben danach getrachtet, dass möglichst viele mitreden können über die zukünftige Nutzung. Wir wollten als Pfarre einen Bau errichten, der dem Bergdorf jene Möglichkeiten bietet, die es bis dahin nicht gab oder die im alten Pfarrheim beheimatet waren. Nichts sollte verdoppelt werden. Die Gemeinde hat ein Jugendzentrum und so gibt es keine ausgesprochenen Jugendräumlichkeiten. Wir gaben der Bibliothek, den Spielgruppen, der Jungschar und den Ministranten und dem theaterKIRCHSCHLAG jene „Räume“, die sie brauchen. Der Hauptkörper des Gebäudes ist ein multifunktionaler Raum, der mit Schiebewänden drei Mal unterteilt werden kann. So entstehen immer wieder „neue und andere Räume“ angepasst an die Erfordernisse. Die Sitzungen, die Chöre, die Konzerte, die Feste usw. finden so ihre jeweilige Voraussetzung und Umgebung. Mittlerweile haben diese Räumlichkeiten alle örtlichen Vereine (Feuerwehr, Sportverein, Rotes Kreuz, Musikverein,…) schon zu ihrem Vorteil genutzt. Die Kubus-Form ist auch ein guter architektonischer Beitrag am Ortsplatz. Nicht alle waren vorher begeistert.

Der Schuldenberg wird rapide abgebaut – viel schneller als erwartet

Aus Sicht der Pfarre sehen wir uns als Teil des Kirchschlager Gemeinwesens. Durch dieses Pfarrzentrum tragen wir jene Ressourcen bei, die wir in Zusammenarbeit mit der Diözese (das Geld der Kirchenbeitragszahler), dem Land OÖ und der Gemeinde imstande waren zu schaffen. Beim 2-Millionenprojekt hat die Pfarre alleine 350.000.- EUR Schulden „gewagt“. Der Pfarrgemeinderat hat die Entscheidung getroffen und ist „gesprungen“. Nach 4 Jahren sind es noch 80.000.- EUR bei 1.150 KatholikInnen. Für mich eine unglaubliche Leistung, die durch konsequente Involvierung und Beteiligung möglichst vieler geschaffen wurde. Schließlich haben 80 Personen einen Schlüssel für das Pfarrzentrum und tragen so Leben hinein, gestalten mit und tragen Verantwortung. Das ist Aufgabe und Dienst einer Pfarre, der Kirche heute. Denn: Die Kirche gehört den Menschen. Die Kirche sind die Menschen.“

 

 

Mein Weg nach Volkenroda: Goldsteig, Fränkischer Gebirgsweg und Via Porta

Wo liegt Volkenroda?„, wurde ich in den letzten Tagen oft gefragt. „In der ehemaligen DDR“ war die verständlichste Antwort. „Thüringen“ hat schon Stirnfalten aufgezogen und „Nördlich von Mühlhausen“ war meistens mit Achselzucken verbunden. „Eisenach ist in der Nähe“ hat die Achseln wieder beruhigt.

„Wo und wie bist du gegangen?“, war die Folgefrage. Hier möchte ich die Route kurz anführen und für etwaige „NachgeherInnen“ zugänglich machen.  Meine Tagesetappen waren immer so zwischen 25 und 35 Kilometer, manchmal mehr. Die Übernachtungen habe ich immer beim Ankommen im jeweiligen Ort „erfragt“ und nichts vorgeplant. In der ersten Phase (Bayrischer Wald und Oberpfalz) habe ich mich an der „Goldsteig-Variante-Süd“ orientiert. In der zweiten Phase ab Waldsassen war die Via Porta mein „Anhaltsweg“.

Es war Fühling und so habe ich auch „querfeldein“ gelten lassen. Das waren meist Abkürzungen aber auch dann und wann ungewollte Verlängerungen. So waren es ca. 700 km. Da ich nichts wäge und zähle, kann ich es nicht genau sagen.

1. Tag:
Kirchschlag bei Linz – Zwettl – Traberg – Helfenberg mit Übernachtung bei meinem Maturalkollegen Engelbert.

2. Tag:
Helfenberg – Haslach – Schlägl – an der Mühl unten an Ulrichsberg vorbei querfeldein nach Klaffer mit Übernachtung im Bauernhof Sonnleitner.

3. Tag:
Klaffer – Schwarzenberg – Neureichenau – Altreichenau (dort entscheide ich wegen der großen Schneemengen auch im Tal auf die Südvariante des Goldsteiges zu weichseln) – Grainet – Freyung mit Übernachtung im Hotel Post

4. Tag:
Freyung (den Wechsel auf Süd musste ich mir selber suchen) – Ringelai – Eckertsreuth – Hasselbach – Eberhardsreuth – Gumpenreit – Loh (dort treffen sich jeden Winter etwa 4000 Motorradfahrer zum Winterzeltln) – Zenting mit Übernachtung im „Alten Wirtshaus“ (nomen est omen)

5. Tag:
Zenting – Lalling – Rusel – Grafling mit Übernachtung im 2 km außerhalb liegenden  Eichenhof (weil der Pfarrer im großen Pfarrhof „leider keinen Platz“ hatte).

6. Tag:
Grafling hinunter und hinauf nach Eidsberg – Edenstetten – Bernried (Waldkindergarten) –  Grandsberg – Obermühlbach (E8) mit Übernachtung bei einem älteren Ehepaar.

7. Tag:
Obermühlbach – Maibrunn – Elisabethzell –  Haibach – Pilgramsberg (Jakobsweg) – Zinzenzell. Diese Etappe habe ich viel querfeldein genommen.

8. Tag:
Zinzenzell – Falkenstein – Marienstein (Wallfahrtskirche auf riesigen Felsbrocken) – Zell – Kirchenrohrbach – Walderbach mit Übernachtung in der kalten Ferienwohnung Jehl. Das Gesthaus am ehemaligen Kloster ist geschlossen.

9. Tag:

Walderbach ab bei Nebel – Waldhaus Einsiegel – St. Magdalena Kapelle – Falkenberg – Mappach – Poggersdorf – Neunburg vorm Wald mit Übernachtung im sehr netten Gasthaus Spörer. Weite Strecke und heute treffe ich den „Product Manager Goldsteig“ Michael Körner.

10. Tag:
Neunburg – Kröblitz – Abzweigung Nord/Süd-Variante am Goldsteig – Kulz – Niesaß – Oberviechtach – Jakobikirche (wieder einmal quert ein Jakobsweg) – Wildstein und Übernachtung im Wildenstein Hof.

11. Tag:
Wildstein – Tännes berg – Kaufnitz – Bierlhof – Trausnitz – Solltiz – Wernberg/Köblitz mit anschließenden zwei Tage Geh-Pause. Etwa 330 Kilometer liegen hinter mir. Bisher alles gut gegangen. Wetter war optimal. Einmal für eine Stunde Regen.

12. und 13. Tag:
Pause

14. Tag:
Neustadt – Windischeschenbach an der Waldnaab- Falkenberg mit Übernachtung Gasthaus neben der Burg. Die wunderschöne Waldnaab war diesen Tag  die Begleiterin.

15. Tag:
Falkenberg – Gumpern – Themenreuth – Waldsassen mit Übernachtung als Pilger im Haus St. Joseph. Dieser Ort war der Wechsel auf die Via Porta.

16. Tag:
Waldsassen – Mammersreuth – Grenzübergang CZ – Bahntrasse nach Cheb (Fahrradweg) – Richtung Schirding – Pomezi – Hohenberg mit Übernachtung in der Ritterschank. Empfehlenswerter Gasthaus gegenüber dem Eingang zur Burg. Lange Route mit „Querfeldein-Umweg“ an der alten Grenze.

17. Tag:
Hohenberg – Neuhaus / Eger – Thierstein – Hebanz – Marktleuthen – Kirchenlamnitz – Spareck – Münchberg. In dieser Zeit folge ich dem Fränkischen Gebirgsweg.

18. Tag:
Palmsonntag mit der evangelischen Gemeinde. Münchberg – Laubersreuth – Günthersdorf – Schauenstein – Hüttung – Selbitz mit Übernachtungsweise bei den Schwestern der Christusbruderschaft. Am Tag vorher anrufen, meinten sie.

19. Tag:
Selbitz – Rodesgrün – Rothleiten – Issigau – Blankenstein (Beginn des berühmten und mir bis dahin unbekannten Rennsteiges) – Schlegel – Rodacherbrunn (nette Imbisshütte mit Gesprächsfreudigkeit) – Grumbach (dort hätte ich übernachten sollen) – Brennersgrün mit Übernachtung in äußerst kalter Ferienwohnung.

20. Tag:
Brennersgrün – Steinbach (mit netten Cafe`s) – Grenzpaß – Spechtsbrunn – Neuhaus am Rennsteig mit Übernachtung im Gasthaus neben der schönsten Holzkirche Thüringens (Schlüssel in der Info-Stelle).

21. Tag:
Neuhaus – Limbach (originelle Info-Stelle direkt am Weg) – Friedrichshöhe – Masserburg – Neustadt am Rennsteig mit Übernachtung in der Pension am Ortseingang.

22. Tag:
Neustadt – Allzunah – Schmücke – Rodell – Oberhof im Nebel. „Das“ nordische Zentrum in Deutschland. Die Info-Stelle ist sehr zuvorkommend.

23. Tag:
Oberhof (immer noch im dichten Nebel) – Grenzadler – Ebertswiese – beim alten Kreuz verlasse ich und die Via Porta den Rennsteig – Friedrichroda – Schnepfenthal mit Übernachtung im Gasthaus Tanne. Obwohl geschlossen, hat man mir extra aufgemacht.

24. Tag:
Schnepfenthal – Wahlwinkel – Hörselgau – Fröttstädt – Tuttleben – Neufrankenroda (Gemeinschaft Siloah) – Brühheim – Behringen mit Übernachtung im Schlosshotel (Pilger-Sondertarif). Mitfeier der Osternacht in der dortigen evangelischen Gemeinde.

25. Tag:
Behringen – durch den Naturpark Hainich – Hainich Baude (unbedingt einkehren) – Thiemsburg – Weberstedt (hätte ich übernachten sollen) – Großengottern mit keiner Übernachtungsmöglichkeit (Ostersonntag).

26. Tag:

Großengottern – Altengottern – Körner – Kloster Volkenroda. Ich komme genau beim Dankgebet beim Ostermontaggottesdienst an. Schöne Musik, innige und offene Gemeinschaft, herzlicher Empfang. Deo gratias.

Ich bleibe zwei Tage im Kommunitätshaus des evangelischen Klosters. Sr. Johanna (für die Pilger zuständig) zeigt mir alles. Ich erlebe Gastfreundschaft pur. Ich feiere die Gebetszeiten und am morgen das Abendmahl mit. Der Christus-Pavillon vom der Expo 2000 wird gerade für die Eröffnung anfang Mai gerichet. Ich bekomme überall Zugang. Alles sehens- und erlebenswert.

Nach diesen 2 Tagen gehe ich zu Fuß nach Grabe (ca. 1 1/2 Stunden), stoppe von dort nach Mühlhausen, fahre mit dem Zug über Gotha nach Eisenach. Im Haus Klara nächtige ich wunderbar und günstig und besuche noch Bachhaus, Lutherhaus, die Wartburg (Der Tipp, schon um 9 Uhr oben zu sein, war super) und die Stadt.

Mir dem ICE geht es von Eisenach nach Fulda, umsteigen, nach Würzburg, umsteigen, nach Linz.

Das Ziel liegt am Weg

Es war eine echte Überraschung („Surprise factor“), gerade für mich selber. Etwa zur Hälfte des Weges nach Wittenberg treffe ich auf eine Tafel, daraus wird eine Idee und diese bringt ein „Umdenken“. Einen Schwenk. Bis dorthin waren „Wittenberg“ und „Freiheitgeht“ die Hashtags oder „Keywords“. Angesichts der großen erläuternden Tafel zur Via Porta vor der Basilika in Waldsassen kamen verschiedenste Dinge durcheinander.

Freiheit geht

Die Goldsteig-Südroute liegt hinter mir. Mehr als 350 km von der Haustüre weg. Jetzt gilt es einen konsequenten Nordkurs einzuschlagen. Der tschechische Anteil des Weges liegt vor mir. Es geht gut. Der Körper hat die Bewegung nach gut einer Woche wieder gut aufgenommen. Etwa 30 bis 35 Kilometer liegen täglich hinter mir. Übernachtungen finden ist bis jetzt immer gelungen, wenn auch nicht einfach. Ich merke, ich bin sehr früh dran (März). Es begrüßen mich weniger Frühlingsblumen sondern mehr Winterreste und Schnee.  Anstatt wärmer wird es von Tag zu Tag kälter. Die wunderschöne Gegend im Mühlviertel, Bayrischen und Oberpfälzer Wald schläft noch. Die Bauern bearbeiten diesen noch schlafenden Riesen mit Gruppern, Eggen, Saatmaschinen und Güllefässern. Das Querfeldeingehen wird damit immer „gschmackiger“. In Waldsassen wird das „Freiheitgeht“ mit einem Schlag „schlagend“.
Das Ziel „Evangelisches Kloster Volkenroda“ und der „Ökumenische Pilgerweg VIA PORTA“ mischen alles in mir so auf, dass ich mir die Freiheit gebe, das neue Ziel, das mir auf meinen Weg gelegt wird, aufzunehmen. Über große Entscheidungen schlafe eine Nacht. So getan. Nach dem Fühstück ist klar: Freiheit geht und das Ziel liegt am Weg. Ich gehe nicht nach Wittenberg, sondern in das mehr als 300 Kilometer entfernte Kloster Volkenroda. Mir bis heute unbekannt.

Vollkommen blank und alles verkehrt

Schwester Sophia von Waldsassen ist nicht ganz „unschuldig“. Sie hat mir ein kleines Heftchen mit einer Wegbeschreibung von Volkenroda nach Waldsassen in die Hand gedrückt. Ich kenne bis dahin weder Volkenroda noch die Via Porta. Ich bin blank, was diese kommenden Gegenden, der Weg auf das Ziel hin und das Ziel selber betrifft.
„Nach Sachsen“, habe ich immer geantwortet, wenn jemand gefragt hat, wohin ich gehe. Jetzt würde die Antwort „Thüringen“ lauten. Jetzt fragt aber keiner mehr, außer die Personen, die ich am Weg treffe. Das Heftchen mit der Wegbeschreibung ist sehr hilfreich. Ich muss es nur von hinten nach vorne lesen und beim Gehen selber oft in den „Rückspiegel“ schauen, weil vor etwa 2 Jahren dieser Weg tatsächlich von Volkenroda aus markiert wurde. Viele Hinweise und Täfelchen waren daher aus der Perspektive von Volkenroda her sichtbar, aber nicht gleich von der „umgekehrten Seite“. Das war Tag für Tag eine schöne Übung und eine gute praktische gedankliche Herausforderung. Ich verband diese „verkehrte Darstellung“ auch immer ein wenig damit, dass ich als Katholik in das evangelische Kloster gehe. Da bietet sich auch ein „verkehrter Denkansatz“ an. Und so weiß ich heute: Mein eigentliches Ziel begegnete mir erst am Weg. Ich habe mir die Freiheit genommen und habe Ziel und Weg neu „einprogrammiert“. Heute weiß ich: Es war gut, dass ich dieses Ziel und den daraus resultierenden Weg genommen habe.


Warum?

Es hat keine anonyme touristische Stadt auf mich gewartet, sondern eine ganz besondere ökumenisch gesinnte evangelische Klostergemeinschaft aus Verheirateten, Frauen und Männern.
Außerdem gab es am Weg unglaublich viele Lebenserfahrungen zu sammeln. Diese werden in kommenden Blog-Einträgen zu finden sein.