Warum im Offline-Modus nach Wittenberg?

Im Bayrischen Wald ist das Internet noch nicht wirklich vertreten. Der „Goldsteig-Süd“ führt in kleinere Ortschaften. Dort sind Datenleitungen wirklich das Problem. Außerdem habe ich mich entschieden, kein Datenroaming einzuschalten. Da ist in Folge die zweite Hürde in Deutschland zu nehmen. Es gibt gesetzlich keine offenen WLANs. Jedes WLAN ist verschlüsselt. Wer eines nutzt, muss mit seiner Identität einsteigen. Die Menschen sind auf diesem Gebiet extrem vorsichtig und „lassen niemanden rein“. Ein Vermieter in einer Pension hat mir eine Rechnung gezeigt, weil jemand über sein WLAN gesetzeswidrige Inhalte heruntergeladen haben soll. Betrag: 7.800.- EUR. Einmal hat mich bisher ein Schüler (Enkel der Vermieterin) auf seinem Laptop „gelassen“. Mein Resümee: Aus Bayern wird keine Revolution kommen. Und: Nimm das als Chance und mache Erfahrungen mit dem Offline-Status.

Heute ist ein Pausentag und deshalb ein Online-Modus-Tag. Diese Buchstaben und Pixel sind so ins „Netz“ gekommen. Meine Erfahrungen werde ich nach der Rückkehr „portioniert nachreichen – wie auch immer“.

Die Thesen, das Pilgern und ein grünes Band

Es wird ernst. Die höheren Berge des oberen Mühlviertels tragen noch „weiß“. Der Rucksack liegt noch völlig entleert am Boden. Die Schuhe sind gesalbt. Die Geh- und Bleibe-Sachen liegen in Reih und Glied auf der Ofenbank. Die versprochene Sonne ist heute Spätzünder. Die Temperaturen sagen in der Anfangszeit eher weniger Schweißperlen voraus. Zwei Anrufe sichern den ersten Schlafplatz und ergeben vielleicht einen Pilgerkollegen in der Gegend von Freyung. Wir werden sehen.

Was treibt dich ? Was zieht dich ?

Meine ehemalige Deutschprofessorin Sr. Roswitha Reischl ist 86 Jahre. Der heutige Besuch bei ihr in Bad Mühllacken war wieder einmal aufbauend und erhellend. Sie hat ein ganz tiefes Gespür für Menschen, die ihr gegenüber sitzen. Sie bezeichnet es selber als ganz großes Geschenk, „dass sie geistig immer noch so fit ist“. Ja, sie ist hellwach. Vor allem hat sie eine unglaubliche spirituelle Tiefe und manchmal habe ich den Eindruck, sie ist eigentlich schon angekommen. „Ich kann nicht mehr viel tun, aber meine Schüler und viele andere Menschen kann ich noch mitnehmen vor Gott. Wenn doch viel mehr Menschen begreifen und erfassen könnten, dass ihnen Gott mit ganz weiten und offenen Armen gegenüber steht. Sie müssten dem Glück nicht nachjagen, sondern es einfach annehmen.“ Das ist ihre Erfahrung und sie fragt auch mich: Was treibt dich nach Wittenberg, was zieht dich dorthin? Ich erkläre ihr mein Vorhaben und sie lächelt immer Milde bis sie meint: „Da müsste man noch mitgehen können“. Es stehen berufliche Entscheidungen an. Die intensive ehrenamtliche Tätigkeit im meiner Heimatpfarre geht nach 10 Jahren zu Ende. Eine einjährige berufliche Erfahrung soll gut eingeordnet werden, ohne dass man angesichts der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung „verweifelt“. Die tiefe persönliche Berufung soll für mich sichtbar werden. Ein Freund schreibt heute in einem Email: „“Ich wünsch Dir eine innige Zeit guten Fusses. Mögen alle Deine Gedanken immer um Dein Herz kreisen. Sei umarmt.“ Danke.

Der Weg

Die Karten habe ich zusammen, um den Weg zu finden. Eine grobe Planung habe ich vorgenommen. Auf den Grenzgang am grünen Band freue ich mich besonders. Ziel ist Wittenberg, die Stadt der Thesen, die Luther in der Form gar nicht angeschlagen hat, wie wir immer gelernt haben. Er hat die 95 Thesen in eine „Zeit der Abhängigkeit und des spirituellen Geschäftes“ (Ablasshandel) formuliert. Gottes Gnade ist gratis, ein Geschenk. Vielleicht verleitet mich der Weg entlang des grünen Bandes, des ehemaligen Eisernen Vorhanges, auch zu Thesen. Noch dazu, wo ich erstmals die Karwoche gehend und unterwegs erlebe. Wir werden sehen. Es gibt hier keine „Vorgabe“, höchstens ein „Drang, Erfahrungen, Sichtweisen und Einschätzungen thesenhaft zusammenzufassen.“  Schon die Bilder der vergangenen Pilgerfahrten lassen mich durchatmen und die Sehnsucht nach dieser weiten Bewegung immer mehr erwachen. Gelassenheit macht sich breit. Nicht ich baue das Leben, sondern das Leben kommt mir entgegen. Für mich als Pilger wird im Laufe des Weges immer klarer werden woher. Das Leben ist ein Geschenk, das Geschenk Gottes an mich, an uns. Glück, Erfüllung und Dankbarkeit sind die Folge. Das vermute und erhoffe ich.

 

 

Ich hoffe, es stimmt: 96 Prozent der Kinder finden es schön, auf der Welt zu sein

Iconkids & youth in Berlin hatte für eine Studie im Jahre 2011 insgesamt 714 Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren befragt. Das ist nicht viel, aber selbst wenn die Zahlen 10% abweichen, geben sie klar Auskufnt. Ein Freund hat mich auf diese Studie aufmerksam gemacht.  Ein paar signifikante Ergebnisse geben zu denken und zu hoffen:

  • 46 Prozent der befragten Kinder sagen, dass sie vor lauter Lernen kaum noch Zeit für andere Dinge hätten, die sie gerne machten. Im Jahre 2006 hatten dies nur 28 Prozent der Kinder gesagt.
  • 96 Prozent der Kinder finden es schön, auf der Welt zu sein.
  • 91 Prozent der Kinder stimmten der Aussage zu, die Eltern seien „die besten Eltern, die ich mir vorstellen kann“.
  • 75 Prozent der Kinder im ehemaligen Osten Deutschlands besuchen die Ganztagsschule, im Westen sind dies nur 21 Prozent.
  • Zum „subjektiven Wohlbefinden“ trage laut UNICEF ein gemeinsames Hobby mit dem Vater bei.
  • Es gibt einen signifikanten Unterschied zwischen Kindern im Westen und im Osten Deutschlands.

Das macht mich neugierig auf mein Gehen in Bayern am E6 (Goldsteigweg) in den nächsten Tagen. Ich bin gespannt, ob ich hier einen Unterschied merke, sehe, spüre, wenn ich Richtung Zwickau hinauf nach Wittenberg „in den Osten gehe“. Dort sind die Kinder nach dieser Studie „entlasteter und gemeinschaftlicher“. Wir werden sehen.

Der Wettkampf zwischen der City und der Peripherie an der Umfahrung

Von oben her nähert sich der Autofahrer (er sollte eigentlich mit der Bahn fahren) der Stadt Horn in NÖ. Auf Ö1 hat er vor mehr als einem Jahr eine Reportage über diese Stadt gehört. Einfühlsam wurde geschildert, wie das Zentrum dieser alten Stadt ausgestorben ist und wirkt, während an der Peripherie an der Umfahrungsstraße sich alle großen Geschäfte angesiedelt haben. Der Wunsch nach einer aufblasbaren Schlafunterlage führt mich, den Autofahrer, in die rein kommerzialisierte und im Grunde nur mit den Auto erreichbare Einkaufsmeile. Alle Geschäfte vorhanden und viele Autos da. Wer eine Auflistung von Handelskonzernen und Automarken erstellen muss, kann das hier einfach der Reihe nach abschreiben. In einem kleinen Outdoorgeschäft finde ich meine Unterlage. Ich beschließe, die Wertschöpfung meines Einkaufs im Waldviertel zu lassen.

Wer kommt in die City?

Dann geht es auf einen Kaffee in die City. Ausreichend Parkplatz vorhanden. Im Kaffeehaus weiß ich nicht, wo mein Platz ist, weil nur zwei Tische besetzt sind. Die Bedienung sehr freundlich, aber aufgrund der mangelnden Gäste unterfordert. „Seit 1912 wird unsere Konditorei nun schon die 3. Generation weitergeführt. Mit großer Sorgfalt fertigen wir unsere Mehlspeisen aus Naturprodukten“, steht es in der Karte. Wie soll das weitergehen? – frage ich mich. Wer trägt die politische Verantwortung für dieses unglaubliche Schisma zwischen Peripherie und City? Schon einmal habe ich gebloggt, dass die Verantwortlichen zu oft in den USA waren und sich dort „Stadtentwicklung“ abgeschaut haben. Ein wunderbarer Stadtkern, der zum Dahinsiechen verurteilt ist, weil die Cashcow vor die Stadt hinausgesetzt wurde in das meiner Ansicht nach „amerikanische Einkaufsghetto“.  Ich hänge dem Gedanken nach, was sich entwickelt hätte, wären die Kauf- und Verkaufssehnsüchte in der City  gelegt worden. Zufrieden wäre ich mit meiner neu erworbenen Schlafunterlage ins Kaffeehaus gewandert ohne das Auto neu zu starten. Das Auto? Bei der Gelegenheit kommt schon innere Freude auf, dass ab Donnerstag für einen Monat nur die Füsse mich fortbewegen werden.

Keine Lust auf Lustbarkeitsabgabe

Die Landespolitik und -verwaltung zwingt die Gemeinden, alle Möglichkeiten der Geldbeschaffung auszuschöpfen. Unten an der Basis soll „gespart und eingetrieben“ werden, was nur möglich ist. Was ganz oben passiert, wissen und ahnen wir. Das hat uns dazu gebracht, die sogenannte „Lustbarkeitsabgabe“ in Frage zu stellen. Hier wird an den zarten Wurzeln der Freiwilligenarbeit gegraben und herumgerissen. Unsere Überzeugung ist: Wenn die Erlöse des Freiwilligenengagements wieder in die Allgemeinheit fließt, darf es keine „Lustbarkeitsabgabe“ geben.  Es geht hier um mehr als den vorgeschriebenen finanziellen Betrag.
Ich dokumentiere den Brief an den Gemeinderat in Kirchschlag:

Sehr geehrter Gemeinderat,
sehr geehrte Frau Bürgermeister!

Erstmals seit vielen Jahren bekommen wir die Vorschreibung einer Lustbarkeitsabgabe zum Kirchschlager Fasching 2012. Die vier Abende sind ein Gemeinschaftswerk von Pfarre, theaterKIRCHSCHLAG und der Musikkapelle. Sowohl die Präsentationen auf der Bühne als auch die Verköstigung und die musikalische Umrahmung geschehen ausschließlich ehrenamtlich durch unzählige Freiwillige. In diesem Jahr waren es insgesamt an die 100 Personen, die involviert und an verschiedensten Stellen mitgearbeitet haben. Es handelt sich also um ein klassisches Gemeinwesenprojekt mit ausschließlichem Gemeinwesennutzen. Der Reinerlös wird jedes Jahr für den Betrieb des St. Anna Pfarrzentrum, das auch Theaterspielstätte und Konzertstätte ist, eingebracht.

Seit mehreren Jahren wurde für diese Veranstaltung keine Lustbarkeitsabgabe eingehoben. Heuer wurde der Betrag von 369.- EUR auf Basis der Eintritte berechnet und vorgeschrieben. Aufgrund des ausschließlichen Gemeinwesencharakters und der 100%-igen Freiwilligenarbeit ersuchen wir um Befreiung von dieser Lustbarkeitsabgabe.

Wir suchen um diese Befreiung nicht nur aus finanziellen Gründen an, sondern vor allem wegen der fatalen Signalwirkung in Richtung „Ehrenamtlichkeit und Freiwilligenarbeit“. Das Gesetz ist alt und gerade aus diesen Gründen in diesen für eine Dorfgemeinschaft sensiblen Bereichen nicht zur Anwendung gekommen. Wir bitten die politisch Verantwortlichen, auch jetzt und in Zukunft dieses Gesetz nicht zur Anwendung zu bringen. Auch wenn die Finanzen der Gemeinde angespannt sind, so ist der Fokus auf Besteuerung der Früchte der Freiwilligenarbeit nicht der richtige Weg. Es geht für die Gemeinde im Vergleich zum Schuldenstand ohnehin um kleine Summen. Das Signal und das Zeichen gegen Partizipation, Involvierung und gemeinschaftliche Selbstverantwortung fällt allerdings groß und demotivierend aus. Ist die Freiwilligenarbeit am Boden, muss sie mit hohen Kosten verbunden wieder angekurbelt werden.

Bei Bällen und Zeltfesten (z.B. Stone Revolution) wurde die Lustbarkeitsabgabe zum Beispiel immer angewandt. Die Folge ist, dass es immer weniger davon gibt. Vereine und Einrichtungen sehen sich nicht in der Lage, das finanzielle Risiko eines solchen gesellschaftlichen Ereignisses zu tragen. In Kirchschlag ist die Anzahl der Bälle im Fasching auf zwei Bälle gesunken. Mancher Verein musste „drauflegen“, dass sich die Leute vergnügen konnten, und dann noch die Lustbarkeitsabgabe entrichten.

Der Kirchschlager Fasching beginnt im November mit den Konzeptions- und Probenarbeiten. Über vier Monate sind so wie heuer über 30 Personen auf den Beinen. Alles freiwillig und ohne irgendeine finanzielle Entschädigung. Der Erlös geht wieder zu 100% in die Basis der weiteren Arbeit des theaterKIRCHSCHLAG und der Pfarre (Betrieb Pfarrzentrum), das wieder der Allgemeinheit und der Dorfgemeinschaft von Nutzen ist.

Wenn wir das Gesetz genau ansehen, dann werden in Zukunft Bereiche, wo wirklich alles durch das Ehrenamt getragen wird und wo der Gewinn ausschließlich wiederum der Allgemeinheit nutzt, der Abgabe unterworfen. Das wird fatale Folgen haben und auf diese wollen wir mit diesem Ansuchen zeitgerecht und mit Blick auf die Zukunft heute hinweisen. Der erste Schritt zeigt immer, wohin die Reise geht. In unserem Fall in Kirchschlag wird in Zukunft jede Theateraufführung, jegliches Konzert des Musikvereines, der Tag der Tracht, das Annafest, jedes selbst gemachte und aufgeführte Kasperltheater, jeder Frühschoppen mit der Musikkapelle Kirchschlag, das Maibaumaufstellen und –umlegen, jegliche Lesung wie Stifterlesungen, die Sportveranstaltungen wie Granitmann, jedes Kirchenchorkonzert oder Konzerte des Jugendzentrums mit dieser Abgabe „belastet“. Das hängt auch nicht vom Eintritt ab. Das sind keine motivierenden Aussichten. Hier wird an den zarten Wurzeln der Freiwilligenarbeit herumgegraben und Potential entnommen.

Es werden auch keine Förderungen für Vereine in Aussicht gestellt. Eher genau das Gegenteil wird eintreten. Nach dem Jahr der Ehrenamtlichkeit kommt nun die tatsächliche Abrechnung für die Vereine.

Wir bitten den Gemeinderat um gemeinsame Unterstützung gegen das derzeitige Vorgehen der Landespolitik und Landesverwaltung, die ehrenamtlichen Tätigkeiten im Sinne eines aktiven Gemeinwesens nicht zu belasten.

Wir bitten den Gemeinderat, der von seiner Aufgabe her Interessen im Sinne einer guten Gemeinwesenentwicklung politisch abwägen muss, den alten Zustand wieder herzustellen. Jene Veranstaltungen, die für und im Sinne des Gemeinwesens von Freiwilligen durchgeführt werden und der Reinerlös der Allgemeinheit (Gemeinnützigkeit) zugute kommt, sollen von der Lustbarkeitsabgabe befreit bleiben. Das ist nicht einfach eine „Frage des Gesetzes“, sondern der tiefer liegenden „gemeinsamen Wertehaltung“.

Wir bitten höflich um Behandlung bei der nächsten Gemeinderatssitzung.

Unterschrieben haben:
PGR-Obmann und Finanzausschussleiter der Pfarre, Obmann und Regie des theaterKIRCHSCHLAG. In den Headlines der Tageszeitungen wird das ehrenamtliche Engagement gepriesen, in den Niederungen der Verwaltung wird „vorgeschrieben und  penibel verwaltet“.

Die Orden sind ein großer Schatz im Volk

Mit einem gesunden Selbstbewusstsein spricht Rosemarie Falkner, die Vorsitzende der Regionalkonferenz der Frauenorden in Oberösterreich aus, was vielen Menschen in Oberösterreich vielleicht gar nicht so bewusst ist. „Wir sind ein großer Schatz im Volk!“. Gemeint sind die 1340 Frauen (990) und Männer (350) in den 63 Frauen- (28) und Männerorden (35) in Oberösterreich. Ab Juni soll in einer Ausstellung „Treffpunkt Kloster-Leben“ im Schlossmuseum und an 40 weiteren Orten dieser Schatz sichtbar und erlebbar werden. Das trifft meine Einschätzung, dass die Klöster und Orden das größte Zukunftspotential in sich tragen und für Oberösterreich (oder wo sich eine Ordensgemeinschaft sonst niederlässt oder niedergelassen hat) wirklich ein Schatz sind. Das Land OÖ hat hier einen zukunftfähigen Faden aufgegriffen. Das ausführliche Gespräch mit Prof. Bruno Frey und das Frühstück mit Heiner Geißler kommen mir da wieder in den Sinn.

Immer dort, wo es „brennt“

Schwester Falkner meint bei der Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung des Projektes: „Die Not der Zeit hat die Schwestern gerufen im Gebet, im Erziehungs- und Bildungsbereich, im Dienst an alten, kranken beeinträchtigten Menschen, in sozialen und pastoralen Aufgaben. Wenn unsere Welt im Profit und Nützlichkeitsdenken erstickt, bezeugen die OrdenschristInnen die Fülle der Liebe Gottes zu dieser, unseren Welt. Die Ausstellungsobjekte der Schwestern werden zum Staunen bringen, welche Wege Gott führt und wie gelebter Glaube im Hinhören und Tun Menschen befähigt, der Botschaft Jesu ein Gesicht zu geben.“ Ordensgemeinschaften haben sich immer dort „ergeben“, wo meiner Einschätzung nach ein Defizit hin zur vollen Würde des Menschen bestanden hat. Wenn man genauer in den Gründergeschichte nachstöbert, dann entdeckt man darin die DNS eines Jesus von Nazaret. Dass es im Laufe der Geschichte Entgleisungen gegeben hat (Kreuzzüge, Missbrauchsfälle), darf nicht verschwiegen werden. Gerade das offene und transparente Hinschauen auf die Schattenseiten legt die Grundidee frei und lässt sie hoffentlich in neuem Licht erstrahlen. Natürlich beschäftigt es, wenn „junge Leute heute nicht im tragenden Netz einer Ordensgemeinschaft die Brennpunkte der Gesellschaft bearbeiten“. Die Nachwuchssorgen prägen (und lähmen) zum Teil die Arbeit der Orden. Und doch weiß ich von meiner Nichte, die über eine Ordensgemeinschaft nach Paraquay gekommen ist, dass sie prägend für das ganze Leben dort „gelernt hat“. Das sind die Schätze.

Vorabinformation zur Ausstellung

 

 

Seneca hat immer etwas Wichtiges beizutragen

Das Wichtige zuerst. Aber was zuerst? Ich empfinde es spannend, auf Twitter Menschen und Meinungen zu folgen. Auf Facebook tratscht es sich zu verschiedenen Themen ganz gut. Und die Tageszeitung ist ehrlich gesagt bald ausgelesen. Die Oscars sind vergeben und mein Leben ist unverändert. An die wackeligen Trackshittaz mag ich gar nicht denken. Peinlich, womit Österreich wieder in Verbindung gebracht wird. Was ist wichtig? Seneca schärft einen Blick nach innen.

Seit 14 Jahren Seneca

Immer wieder, wenn es schal wird in der „Welt der Wichtigkeiten“, dann nehme ich das Büchlein von K.O.Schmidt „Seneca.Der Lebensmeister“ zur Hand. Vieles ist darin im Laufe der Jahre schon mit verschiedenen Stiften unterstrichen oder in einen Rahmen gesetzt. Je nach Situation und Wahrnehmung, die gerade in mir lag. Dass Seneca zur Zeit Jesu lebte, machte ihn für mich interessant. In der Schule hatte ich bei diversen Lateinschularbeiten noch keinen inneren Zugang zu ihm. Als 40-Jähriger ist er mir in meiner Coachingausbildung „ans Herz gewachsen“. Heute lese ich „Sklave oder Herr der Dinge?“.

Seite 12 

„Weisheit lehrt, das Göttliche zu verehren und das Menschliche zu lieben. Anhaltende Güte überwindet das Böse. Um im Wechsel von Glück und Unglück der gleiche zu bleiben, aus allem zu lernen und an Weisheit zu gewinnen, ziehe dich oft in dich selbst zurück. Ziel deinen Strebens sein, ein lebendiges Ebenbild Gottes zu werden und mehr der inneren Stimme zu gehorchen als den Lockungen der Dinge zu folgen. Lege dir täglich Rechenschaft ab über dich selbst und sorge, dass dein Streben immer dem Guten gilt. Gut ist, was dich besser und tüchtiger und die Menschen um dich glücklicher macht. Wer so lebt, wird zum Herrn der Dinge und Geschicke.“

Seite 15

Seneca nennt glücklich nicht den, der anderen so vorkommt, sondern den, der sich selbst glücklich weiß, richtig denkt und urteilt, mit dem Bestehenden zufrieden ist und das, was er ist, gutheißt und bejaht: „Glückselig zu leben wünschen alle; aber die Grundlagen solchen Lebens erkennen nur wenige. Es ist auch nicht einfach, dazu zu gelangen; wer einmal den Weg verfehlt hat, kommt leicht immer weiter davon ab. Man muss sich daher zuerst klar werden, WAS man ersehnt, um alsdann den WEG zu beschreiten, der am raschesten ans Ziel führt. Einmal auf dem rechten Wege, sieht man bald, wieviel des Weges man täglich zurückgelegt hat und wie weit das Ziel noch entfernt ist.“ Wir dürfen uns nicht nach dem Gerede der Leute ausrichten: „Mehrheit ist selten Wahrheit. Wir müssen uns selbst fragen, was am besten zu tun sei.“

 

 

 

Freiheit GEHT: Warum ich nach Wittenberg gehe ?

„Was ist dein nächstes Ziel?“, bin ich in den letzten Wochen nach dem Ausscheiden von Academia Superior immer wieder gefragt worden. Es war meist meine berufliche Zukunft gemeint. Nachdem sich das „Sortieren und Sondieren“ für meine zukünftige berufliche Tätigkeit gut darstellt, möchte ich die damit verbundenen Veränderungen wieder in ein ausführlicheres Gehen legen.

Freiheit geht
Als Ziel liegt mir schon länger der Norden vor Augen. Assisi sucht dort ein „Gegengewicht“. Ich erlebe derzeit, dass „Freiheit geht“. Was liegt näher (oder ferner) als Wittenberg. Die Zeit Luthers war eine mindestens so spannende und vom Umbruch geprägte Zeit wie heute. Die gesellschaftlichen Zustände waren bestimmt vom Ablasshandel der römischen Kirche. Die Christen wurden gezwungen, für ihr kommendes Seelenheil im Himmel zu zahlen. Eine unglaubliche Maschinerie von Propaganda, Predigern und Zwangsmechanismus (äußerlich und psychologisch) haben die Menschen in die Unfreiheit gesetzt: Die Gnade Gottes konnte nur über die damalige Elite erkauft werden, geschützt durch eine massive klerikale Firewall. Ich betone: Das ist ungefähr 500 Jahre her. Allerdings ist auch 500 Jahre her, dass eben ein Mann aus diesem System aufgestanden ist und den Menschen klar und deutlich gesagt, erläutert und zugemutet hat: „Leute, free download“. Die Gnade Gottes ist gratis, ein Geschenk, ohne Zwischenhandel, ohne Barrieren. Schaut auf Jesus, der die Leute damals ebenso direttissima auf Gott hin geöffnet hat. Die Gnade Gottes kann nicht erkauft werden, sondern fließt direkt zu jedem Menschen abseits von Firewalls und „hierarchischen Gnadenhähnen“. Damals wie heute. Damals verbreitet über den Buchdruck und heute über das Internet.

Unsere Zeit

Immer wieder wird mir bewusst, wie weit wir heute in Unfreiheit leben (müssen). Ich selber habe zum Beispiel von der notwendenden Flucht aus der Excel-Zelle gebloggt. Der Mensch wird heute genauso wie damals von einem oft unsichtbaren Band der Abhängigkeit gelenkt. Es schaffen nur wenige, diese mögliche Freiheit zu denken. Einkommen, Karriere, Pensionssicherheit, Erfolgszwang, innere Leere, Werbe-Propaganda und geschickt gesteuerte innere Antreiber halten den Menschen gefangen. Eine vage Angst lässt vieles erstarren. Mutlosigkeit findet im Stillstand ihre Ruhestätte. Mir selber hat das weite GEHEN schon mehrmals gezeigt, dass diese inneren Bänder der Abhängigkeit durchschnitten werden können. Ein solcher Weg enthält so viele Überraschungen, dass neue Facetten  des Lebens offenbar werden. Gerade die Natur in ihrer offenen Zugänglichkeit spiegelt eine Ahnung von Himmel wieder. Gratis – free Upload an (in) mich.

Wittenberg als Ort der „Befreiung“

Ich bin gerne Katholik – gemeinsam mit den Freunden des lebendigen Daseins. Mich fasziniert die Lebens- und Lehrweise Jesu und wie er die Menschen immer in die „eigene persönliche Freiheit, Verantwortung und ins Ganze gestellt hat.“ Er hat alle entmündigenden Tendenzen nicht nur abgelehnt, sondern vehement bekämpft. Wie oft hat er sich angelegt mit der damaligen Elite, den Schriftgelehrten, „die den Menschen ihr Leben nur über ihre Abhängigkeit zugänglich machen wollten“. Überall, wo Unfreiheit anzutreffen war oder ein Zirkel der Verantwortungslosigkeit gepflegt wurde, hat Jesus „auf den Putz gehauen“. Das haben ihm viele Heilige nachgemacht. Auch Martin Luther hat das erkannt, dass das gängige kirchlich-religiöse System verkehrt läuft. Der konkrete Mensch gilt nur so viel, so viel er zur Erhaltung und zum Ausbau des gängigen Systems beiträgt. Und da befinden wir uns im Jahre 2012. Ich sehe hier nicht in erster Linie die Kirche, sondern die heute gängigen Systeme, die mittlerweile Religions- bzw. Konfessionscharakter haben: Politik, Ökonomie, Gesundheit, Bildung, Medien. Das Gehen, die Natur und jene Menschen, denen ich zu-fällig begegne, werden mir hier eine tiefe Reflexion ermöglichen. Das hoffe ich nicht nur, sondern das „weiß“ ich aus Erfahrung. Am 15. März werde ich bei der Haustüre mit jener Offenheit und Freiheit losgehen, die vielen Überraschungen Platz gibt – auch jenen, die in irgendeiner Form mitgehen wollen. Freiheit geht – überall. Es gibt sie, diese „Ökumene der Freiheit“. Wir werden sehen.