Die christliche Botschaft ist grundlegend gewaltfrei

„An der Wurzel jeder Weltreligion findet man diese unbedingte Achtung vor jeder einzelnen Person als Geschöpf Gottes. Gott ist in jedem Menschen gegenwärtig und das begründet diese tiefe Haltung der aktiven Gewaltfreiheit“, führt die 82-jährige Hildegard Goss-Mayr mit  klarer Stimme im übervollen Pfarrsaal von St. Radegund am 9. August 2012 aus. Auf Einladung von Pax Christi und der Pfarre kommen Menschen aus der unmittelbaren Umgebung, aus ganz Österreich, der Schweiz, Italien, Deutschland und den USA sind zum Gedenktag der Hinrichtung des Seligen Franz Jägerstätter. Der jährliche Gedenktag wird begonnen mit einer Vesper in St. Radegund am Vorabend, einem Impuls in St. Radegund, der Wallfahrt am Fußweg hinüber nach St. Radegund vorbei am Geburtshaus und am neuen Denkmal. Um 16 Uhr zur Todesstunde wird in der Kirche eine berührende Andacht gehalten. Bevor am Abend die Messe gefeiert wird und die Lichterprozession zum Grab stattfindet, gibt es Zeit zum Austausch. Ein Tag, der viel „Seelennahrung“ und tiefe Orientierung bietet. Ein Tag an den Wurzeln des Lebens, heuter inspiriert durch das Zeugnis von Jean Goss und eben Franz Jägerstätter.

Die Befreiung von der Angst

Hildegard Goss-Mayr erzählt über das bewegende Leben ihres Ehemannes, wie er im zweiten Weltkrieg gekämpft hat, Auszeichnungen bekam und in einer tiefen Erkenntnis zur Haltung der Achtung, Liebe und Gewaltfreiheit kam. Das hat er dann international in vielen Seminaren an den Gewalt-Brennpunkten der Weltpolitik weitergeben: Afrika, Südamerika, Philippinen, Libanon – um nur einige zu nennen. Ich selber durfte beide erstmals bei einem Seminar im Rahmen der KSÖ Anfang der 80-er Jahre erleben. Bis heute beeindruckend. In den Seminaren ging es immer um „die Befreiung von der Angst und die Öffnung für die wahren Werte des Evangeliums und der Gewaltfreiheit“. Hildegard sprach über die „Haltung und die Kraft der Gewaltfreiheit“. Sie meint mit Blick auf Jean und Franz: „Beide haben die Furcht vor dem Tod überwunden und die wahre Freiheit zum unerschrockenen Zeugnis gefunden.“ Auch in den anderen Weltreligionen ist diese Gewaltfreiheit in der Wurzel Grund gelegt, wenn sie meint: „Der große Dschihad im Islam ist der Kampf gegen die Ungerechtigkeit in mir und die meisten Muslime trachten nach Barmherzigkeit.“ Sie und ihr Mann stellten immer wieder fest, „dass viele Christen die Wurzel der Gewaltfreiheit in ihrer Religion nicht kennen“.

Gewaltfreiheit wieder in die Kirche „implantieren“

Beeindruckend an ihrem Vortrag war auch, wie ihr Mann und sie im Vorfeld und während des Vatikanum II für diese tiefe Haltung der Gewaltfreiheit „Lobbying“ gemacht haben. Sie haben ganz konsequent auf verschiedensten Ebenen ihre Eingaben vorgebracht, dass erstens der moderne Krieg und die ABC-Waffen eindeutig von der Kirche verurteilt werden, dass zweitens das Recht auf Wehrdienstverweigerung und auf gewissensbedingten Ungehorsam anerkannt wird und drittens die Leitlinien Jesu zur unbedingten Gewaltfreiheit vollinhaltlich von der Kirche anerkannt werden. „Die Kirche Roms war in manchen Punkten noch nicht so weit, aber diese Gedanken und Haltungen haben im Volk Fuß gefasst und haben schließlich zu Umstürzen von Diktaturen (zB Philippinen) geführt“, weiß Hildegard aus eigener erlebter Erfahrung: „Es war immer ein Samen säen für den Frieden.“  Beide haben sich immer als furchtlose Friedensstifter über die Kontinente gesehen.

Was Jean Goss und Franz Jägerstätter „verband“

Hildegard führte einige „Flächen“ an, die beide Friedensstifter verbanden. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich hier einfach das anführen, was ich „mitgehört und mitgenommen“ habe. Jede und jeder hat die Möglichkeit, das zu kontrollieren. Beide waren auf der Suche aus einem inneren Kern heraus, der sich ganz am Evangelium und der Haltung Jesu zur Gewaltfreiheit orientierte.

  • Beide haben die Erfahrung der Armut und Entbehrung gemacht.
  • Beide haben die Sprache des Volkes gesprochen (Gewerkschafter, Bauer).
  • Beide waren Mystiker und haben Ungerechtigkeiten auf ihre Gewissen bezogen.
  • Beide haben tiefe Momente der Einsamkeit erlebt und die Angst davor abgelegt.
  • Beide waren in einer tiefen Beziehung gehalten (Hildegard, Franziska).

Der ganze Vortrag von Hildegard und die Predigt von Bischof Manfred Scheuer mit einigen Fotos stehen hier zur Verfügung. Danke Martin Pilgram.

Die Kathpress hat über den Tag so „getitelt“:
Lebenszeugnis Jägerstätters floss in Konzilslehre ein

 

Das größte Sakrament ist die Küchenschürze

Dass ich ein eifriger Leser des Publik-Forum bin, habe ich schon dort und da fallen lassen. Dieser ungetrübte Blick auf die Wirklichkeit, die oft in Karikaturen auf den Punkt gebracht wird, möchte ich nicht mehr missen. Kirchliche Themen werden mit einer offenen ökumenischen Zielrichtung beschrieben. Projekte und Themen werden aufgegriffen, die noch keiner weiß und Monate später auf einmal breites Thema sind. Und immer die Blickrichtung nach „unten“. Profitiert habe ich oft schon von den Buchhinweisen. Diesmal habe ich eine CD bestellt mit dem Titel „Eure Sorgen möchte ich haben„. Prof. Hengsbach hält einen Vortrag am Katholikentag in Deutschland und reflektiert die Situation. Kurz: Die Kirche(n) handeln zu „selbstreferentiel“, sind müde geworden und ihr eigentlicher Auftrag ist ihnen „abhanden“ gekommen: Für die Menschen konkret da sein und gesellschaftspolitisch aktiv werden für die „Verlierer“.

Das Bild der Küchenschürze

Recht locker erzählt er ohne Verbissenheit von den „Scheintätigkeiten“ kirchlicher Würdenträger, ihre wichtige Wichtigkeit und das immer um sich selber kreisen. Dann greift er zu einem Bild, das im Auditorium ein Lachen und Applaus hervorgerufen hat, wenn er aufführt: „Erster Ort der Liturgie ist die alltägliche Lebenswelt in Familie, Beruf, Freizeit oder sonstiger Tätigkeitsfelder. Dabei ist das größte Sakrament die Küchenschürze. Jene Schürze, die Jesus umgebunden hat, um den Seinen die Füsse zu waschen. Er brachte ganz klar zum Ausdruck: Dienen und nicht bedienen lassen.“ Natürlich hängen einem solche Bilder über längere Zeit nach. Die CD habe ich mittlerweile schon vor einer Woche des nächtens – mit großer nährender Nebenwirkung – angehört. Immer wieder bringt Hengsbach die „Pastoral der Nähe“ ins Gespräch angesichts der immer größer werdenden „Seelsorgeräume“, der „Pfarrverbände“ oder wie das immer genannt wird. Das Bild der Küchenschürze taugt sehr gut dafür, die Intention Gottes zum Ausdruck zu bringen: Ich bin bei dir, in deiner Nähe, will dir helfen und deine Füsse frisch machen für dein Gehen auf deinem Lebensweg. Dann fällt mir Sr. Kunigunde Fürst ein, die in einem Interview „geklärt“ hat: Die Ordensschwestern sehen sich nicht mehr als Dienstboten der Kleriker. Die Küchenschürze wird „ge-gendert“ und alle miteinander dienen den Menschen. Das ist ein Zeichen, ein Sakrament – ganz konkret.

 

Times of Crises, Time to share Visions and Actions: New Communication technologies, opportunities and dangers.

The speech on Monday, 30th of July 2012 at the University of Vienna (Pax Romana Vienna):

Ladies and Gentlemen,

it is my great honour to share my experiences in the field of social media here. I’m sorry, but my English is not fluent. I’ll give it a try.
I am not a digital native. At school I learned Latin and Ancient Greek, I studied theology. I took courses in social ethics, economy and politics at the Catholic Social Academy in Vienna. Professionally, I was a pastoral worker for 10 years at the cathedral of Linz in Austria. Then I supported students of theology in planning their career for a religious occupation for 10 years. In 1997 I was appointed the Internet/Web Officer of the Diocese of Linz. It was an new term. This was an intensive introduction to the digital world. Others say that I am an early adaptor. Wonderful and very competent colleagues have introduced me into this world. It was always important to me that digital possibilities in technology do not become independent but remain an integrative part of the church organization, the diocese, the parish and educational institutions.

As of 2000 I built up the communications office for the Diocese of Linz. The Internet and the new media were the catalyst for those in charge to establish a professional platform. Large organizational units had to be made ready for the Internet. We could hardly follow the technical developments. E-mail communication and the presentation of various types of content on the respective websites have endured to this day.

Internet, driving a car or airplanes?

Social media is the new digital reality. I would like to briefly discuss chances and risks. Only fragmentary. This new digital world, this new digital space, this new digital reality has become so widespread that I could equally talk about driving a car or the airplane industry.
I will highlight some aspects from my personal experience. I have blogged for years. Since 2008 I use Twitter. On Facebook I have 1.400 friends, whom I all know personally or have some kind of personal connection to. I’m still experimenting with Google+. I have uploaded a couple of videos on YouTube knowing that they are unprofessional. People still watch them. Xing is my professional companion because I have changed my job three times since 2009. One year I worked in the think tank for future studies and the digital world was the main means of communication. My blog about walking over 1.400 kilometres from Linz to Assisi in 52 days was followed by 1.500 users every day. This was 2009.

This leads me to my first point:

Social media is not a question of technique but a question of the person, the actual human being. And just imagine: I enjoy it all and claim that I am quite normal because social media are the most normal thing in the world with all it opportunities, bright sides, risks and hazards.

This leads me to the second point and concern.

In the many talks I have given here in Austria I always try to use an image how this digital world is ticking. This is based on the experience that this new world does not work differently from the analogue world. It’s no different than the real world. It is only new, uncommon and a great learning environment. Young people have got a networking platform here where they travel faster than old people! They play this joker every day and enjoy the lead.

I always invite people, to envision these digital worlds as a new kind of pub or shopping centre. Some say: I never got there and others can’t wait until the doors open or until a new product has arrived.

Social media are the digital pub.

Here, private matters are taken into the public sphere. I decide with whom I sit down. I decide when I’m there and what kind of information about myself I give away. Institutions have their place rather on posters near the entrance or exit and not so much on the table. Here, people are in demand. No professor will come up with the idea to give lectures at a pub table. This is where he or she recounts what they are experiencing all around their lectures. Also the pastor will not preach his sermon again in the pub because he meets some people there who do not go to church. He will listen and maybe share one or another thought from his pastoral experience. What one shares on Facebook is almost exclusively personal information, texts, images, videos, things you value or what is going on. Entertainment. I myself have never played. Others do so excessively– similar to the pub.
So it’s like real life and everything works just the same. Here is another example: If an 8-year-old shows up alone in a pub every day he will soon be asked: Who are your parents? Pub and Facebook are not right for an 8-year-old.
Therefore: no fear and no great expectations – the digital communities show a person as he or she really is – neither better nor worse.This I would note down as a third point.

This leads to the fourth point right away.

Who considers himself or herself a catholic will be aware of the structural change. Today’s Roman Catholic Church puts hierarchical forms in the foreground – against the majority of its members. The synodal constitution of the Church, as it was rediscovered during the Second Vatican Council and is still practiced in religious orders today, moves into the background.
The Old Media are hierachical. The New Media.are synodal. Rome is old and they have fear, that a new church is growing up in the new media.

What is the consequence?

I gave a speech at a fashion school in Ebensee in Upper Austria in front of all pupils and teachers. The pupils – aged between 15 and 19 years – were all on Facebook. The teachers were divided. One third was on Facebook, one third had seen it before and doesn’t use it, one third strongly opposes Facebook and fights using it during school hours. They are afraid that information is distributed about the school that they cannot control. Afterwards, in the staff room, I could convince most of them: students are interested in presenting “their” school in a positive light internationally. This increases their prospect of a career and their image and standing. So: let the students represent the school on Facebook!

Responsibility

I always have to take responsibility for my actions. There are no excuses. I control my actions. Here, some are ethically and practically overburdened. One problem I see is the fact that we are mostly living in an irresponsible society. The mathematician Rudolf Taschner said that the church should really only do one thing: remind a person every day that he or she lives in responsibility.
I myself always say: A sentence ends with a full stop. To think and act sustainably is the basic for the positive use of social media and the presence in a pub. Stupidities are spread analogue and digitally.

This leads to the next consequence:

The single person has to discover and sharpen his or her conscience. This is not easy considering the circumstances like monetarism, openly practiced greed, corruption played down as trivial offence or PR-gags that often want to put the individual back on track. Advertising and emotionally charged images from the world of capital economy “format” the people, especially young people between 13 and 17 ages, as the neuroscientist professor Singer confirms.
And yet we confirm: self-responsibility and individuality are the challenge or the personal overload. Thank God, the individuality of the human is in his or her sociality. As Christians today we have chosen the support of the community ourselves and freely.

What are the dangers I see in practice?

• Social media are time killers number one.
• Digital is cold and there is a risk of an emotional chill
• Everything appears without priorities and who helps to sort things out?
• Numbers in the sense of a binary code become the benchmark for everything. The number of clicks determines good and bad. This is especially true for YouTube.
• Systems become square and always more closed. This is a real limit in the future of Facebook, the isolation and seclusion.
• Nature and its haptic quality is entirely blended out.
• What happens to my data? We don’t know.
• The new dynamics of smartphones is the real evolution or revolution. There will be some of you present here, who, while I’m talking, may communicate themselves on the side and without attracting attention. Divided attention is a hazard. Multi-tasking is no longer in. To be here – undivided – and not spreaded in the hole world in Social Media.

What are the opportunities in concrete terms?

• Content is user generated and there is meaning in that.
• New sympathies and networking is possible more readily.
• Communication is accessible and cheap, across continents, almost limitless
• I see speed as an opportunity. Who shouts out first sets the agenda, decides on the topic and the enduring image.
• Being able to compare and share ideas and experiences
• Rigid structures can be broken open
• The system itself knows about self-censorship based on a set of rules or an ethos of human rights.
• It is minority friendly
• I associate emotions, beliefs, estimations, a certain kind of lightness of life with those digital pubs and meeting rooms

How to deal with it?

See everything as normal and learn to live with surprises
See risks and chances similar to driving a car or climbing a mountain.
Talk about this “new world” in the analogue world. Drinking a beer together or meeting at a “Heuriger” cannot be replaced by anything.

What are people looking for?

Appreciation – meaningful work – solidarity / community in the sense of a self-determined community.
I friend those people who support me in this, who deal with this respectfully, who DO interesting things and with whom I feel comfortable.
And all over again: Standing back and integrating distance.
I always ask myself: Can I distance myself? – from Mobile Device or the Laptop.

Everyone has to find their own way. So it’s not the technology that is responsible for opportunities and dangers but the single person in his or her application.
It’s not a technical question.
It’s you and me!
Thank you for your attention!

 

Ferdinand Kaineder, Vienna Media spokesperson / press officer for the religious orders in Austria since June 2012,
theologian, communication coach, local detective

 

 

Aber darin liegt echt viel

Heute hatte ich im Gasthaus beim Frühschoppen wieder einmal eine breite Diskussion über den Sinn und Unsinn von Facebook. Ich bin aufgebrochen und im Zug von Linz nach Wien hat mich via Facebook ein Email erreicht, das ich relativ 1:1 hier zitieren möchte. Die Zeilen sind Ermutigung, Zielbeschreibung und eine Herausforderung für die Medienarbeit für die Ordensgemeinschaften in Österreich.

„Komme gerade von Exerzitien aus dem Haus Subiaco in Kremsmünster und hab dort extrem liebe, witzige und lebensfrohe Benediktinerinnen aus Steinerkirchen an der Traun kennengelernt. Weiß nicht, ob du sie kennst. Ich musste dabei auch an dein Medienprojekt mit den Orden in Österreich denken. Was ich nie so bedachte ist der Missionsaspekt der Schwestern auf der ganzen Welt,  für Caritatives und Soziales einzustehen. Ich habe mich eigentlich sehr wenig mit „Ordenswesen“ auseinander geseetzt. Ich dachte immer,   sie beten „nur“ in ihrem Kloster und versuchen frommer als fromm zu sein. Aber was ich da mitbekommen habe, darin liegt echt viel!!

Vielleicht kann man das auch zeigen, diesen Aspekt klösterlichen Lebens. Das Hinausgehen in die Welt und nicht nur in den Mauern hockn bleiben. Dieses Bild auch zu zeigen und eine neue Sensibilität für Orden zu schaffen. Interessant wär auch für ein paar Jahre auf Zeit ins Kloster zu gehen für Leute, die eben etwas in der Welt bewegen und verändern wollen. Das wäre eine Zukunft für das Ordenswesen, Orte für spirituelle Einkehr zu schaffen und die Klöster dafür öffnen.“

Ich kann nur sagen:
Danke für das Mitdenken „and to share your experience“.
Danke den angesprochenen Ordensschwestern, die das Evangelium so empathisch mit den Menschen, vor allem denen am Rande, teilen, entdecken, erzählen, leben.

Weil sich so viele Frauen kompetent in die Kirche einbringen

„Im Sinne des neuen WIR trägt die Katholische Frauenbewegung dazu bei, Berührungsängste abzubauen und das Verbindende zu stärken. Dies ist wesentlicher Teil ihrer Spiritualität. Dazu gehört auch ihr gesellschaftspolitischer Auftrag, für das gute Leben aller einzutreten.“ Diesen Satz lese ich bei der kfb in der SteiermarkDie unten zitierte Vision stammt von der Tiroler Seelsorgeamtsleiterin Mag.a Elisabeth Rathgeb. Es lohnt, diesen Gedanken nachzuhängen, ihnen auf die Beine zu helfen und Wirklichkeit werden zu lassen. Nicht zuletzt deshalb, weil wir Männer hier „mitgemeint“ und „mitgenommen werden wollen“. Das ist Auftrag.

Frauen verändern Kirche de facto

Elisabeth Rathgeb formuliert: Wenn wir Frauen in der Kirche mehr zu sagen hätten, wäre unsere Kirche

1) eine kommunikativere Kirche, in der die gemeinsame Suche nach Lösungen im Dialog und Gesprächen mehr zählt als starre Hierarchien, als oben und unten, Privilegien und Status.
2) eine menschlichere Kirche, in der das Gesetz für den Menschen da ist und nicht umgekehrt.
3) eine lebendigere (lebensnahe) Kirche, die das Ohr an den Nöten der Menschen hat, aber auch an ihren Hoffnungen und Freuden, die sensibel auf die Zeichen der Zeit reagiert und bereit ist für neue Herausforderungen.
4) eine gerechtere Kirche, in der wahr wird, was wir seit 2000 Jahren vom Apostel Paulus hören: „Es gibt weder Männer noch Frauen, Juden noch Griechen, Sklaven noch Freie – alle seid ihr eins in Jesus Christus.“
5) eine mutigere Kirche, die radikaler in die Fußstapfen Jesu tritt: sozialer, spiritueller und politischer.
6) eine glaubwürdigere Kirche, wo drin ist, was drauf steht.
7) eine fröhlichere Kirche, die öfter tanzt und lacht und singt, eine Kirche mit mehr Leichtigkeit, die sich selber nicht immer so todernst nimmt.

„Dass wir das am besten gemeinsam mit den Männern tun, ist für uns klar.“

Ich zu mir: Alles klar!

Weil sich so viele Frauen kompetent und engagiert in die Kirche einbringen, ist unsere Kirche…..

1) siehe oben usw….

Dass gerade auch die Ordensfrauen hier ein ORDENtliches Stück beibringen, war mir immer klarer.
Jetzt noch viel klarer.

Minderheit und Mehrheit? Eine Frage der Perspektive und der Strahlkraft

Es regnet, wie ich in Lambach ankomme. „Christsein in der Minderheit – Impulse für ein missionarisches Leben“ steht auf dem bunten Folder, der zur Fachtagung 2012 einlädt. Das Stift betrete ich von der Hinterseite und über eine alte Stiege komme ich zum „Normal-Eingang“. Josef Ahammer ist der erste, auf den ich treffe. Die Miva ist Mitveranstalter wie die Ordensgemeinschaften der Frauen- und Männerorden. Der Pfeil zeigt Richtung Refektorium. Dort sammeln sich die etwa 120 BesucherInnen. Noch nicht weiß ich, dass ich beim Mittagessen neben einem Pater aus Argentinien, einer Ordensschwester, die in Neuguinea tätig ist, einer, die in Graz und eine andere, die jetzt nach London geht. Die Schwester gegenüber meint im Laufe des Gespräches: „Ich fahre nächste Woche wieder heim nach Uganda.“ Auch wenn die Akustik im Speisesaal schlecht war, so war die Neugierde stärker und hat uns wunderbar miteinander ins Gespräch gebracht. Ich bin dankbar, in einer solchen „Arbeitsumgebung“ tätig sein zu können.

Den Vortrag twittern

Die Pressearbeit ist bei diesem Kooperationsprojekt schon im Voraus eingefädelt. Kathpress bereichtet, Ö1 ist da und P. Christian Tauchner von den Steylern ist mit Kamera ausgestattet. Die Referate werden per Video aufgezeichnet. Ich werde bei den zwei Vorträgen twittern. Das hat dann doch bei einigen Verantwortlichen Erstaunen ausgelöst. Vor allem Erzbischof Willian D’Souza aus Indien (Bihar) war postiv überrascht, als ich ihm sowohl die Facebookeinträge als auch den Hashtag #Fachtagung2012 gezeigt habe. „There is no time to do this“, meint er recht direkt. Ich habe selten einen so lebendigen, zielorientierten und weltoffenen Erzbischof erlebt. Er hat mit seinen 60.000 KatholikInnen in seiner Diözese unter 25 Millionen Einwohnern eine klare Option: Wir sind für die Menschen da. Die erste Frage für ihn vor allen Dogmen und Vorgaben ist: Was brauchen die Menschen hier bei uns. Da alles trägt er in einem gut verständlichen Englisch vor und ich denke: Gut, dass ich einen Monat in New Orleans war. Er spricht von „barrierefreier Kommunkation“ und dass die Leute einen „Geschmack auf gutes Leben bekommen sollen“. Zeugenschaft ist zentral und Community, die ausstrahlt. „Es geht nicht um die Mehrheit, sondern um die Kraft (powerfull) und die Begeisterung, Salz zu sein. Friede, Gerechtigkeit, Gleichwertigkeit der Geschlechter, gute Versorgung mit Lebensnotwendigem sind die „Richtung, in die es geht“. Hier spricht ein Bischof, der mit den ihm anvertrauten Menschen geht. Zum Abendessen kommt er in Freizeitkleidung und ich erinnere mich dann wieder: „Jeder kann zum Bischof kommen“ und „The Church needs no walls.“

Vom Dorf in die Stadt

Prof.in Maria Widl aus Erfuhrt führt aus, dass die „Dorflogik das Vatikanum II überdauert hat“. Die Kirche agiert in dieser Logik und genau diese Logik ist am Ende. So auch die Kirche. Kurz gesagt plädiert sie für den Aufbruch in die „Stadtlogik“: Selbstbestimmt und frei gewählt. Neue Formen der Community entstehen und die Kirche wird in neuen Bildern sprechen müssen. Nicht mehr die dörfliche Landwirtschaft ist das Paradigma, sondern die urbanen Bilder wie Ökonomie, Filmwelt, Technik, Psychologie, Architektur, Social Media. Es entfacht sich eine Diskussion, was Minderheit und Mehrheit betrifft. Das Gespräch geht zum veröffentlichten Bild von Kirche und Widl meint: Auf Kirche kann man in unserer Kultur nicht wirklich stolz sein, aber auf das Evangelium kann man bauen. Eine Unterscheidung, die bei den Menschen höchste Plausibilität hat und mir sehr sympatisch ist. Seit meinem Assisi-Gehen spreche ich von „jesuanisch geprägter Kirche“ und meine damit als Anker immer das Evangelium. Davon lassen sich die Menschen auch heute noch inspirieren. Selbst führende Wirtschaftstreibende würden sich mehr eine Kirche wünschen, die hier das Evangelium mehr zur Sprache bringt als die Sexualität, „von der sie wenig verstehen und die sie eigentlich nichts angeht“ (Heiner Geißler beim Frühstück in Gmunden).  In jedem Fall sieht der Abt von Lambach, Maximilian Neulinger selbst für sein Stift, das nicht unterwegs ist, eine besondere Aufgabe in der Mission: „Ein besonderes Zeugnis ist die Gastfreundschaft, ein offenes Ohr für jeden.“ Das ist es. Ganz Ohr sein. Oder wie es Sr. Beatrix Mayrhofer von der Vereinigung der Frauenorden Österreichs gleich zu beginn andeutete: Wann sind Christen in der Minderheit? Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich schon da. Das ist es ebenso.

Eine Kurzzusammenfassung:
http://www.koo.at/fileadmin/bilder/fachtagung12/PT_Fachtagung2012_kurz.pdf

 

Weniger ist nicht auf Anhieb das Anliegen der Mehrheit

Ich bin noch nicht lange „Wiener“. Die sommerliche „Parkpickerl-Diskussion“ geht nicht spurlos vorbei. Aufgeregtheit liegt in der Luft wie bei jeder Veränderung. Die dahinsiechende VP in Wien hat das „Auferstehungswerkzeug“ entdeckt. Wer das Auto in irgend einer Form in Frage stellt oder mit „Maut“ belegt, kann auf „Auto-Solidarität“ bauen. In Unterschriften wurde das in Wien 120.000 mal zum Ausdruck gebracht. Soweit mir Zahlen zugänglich sind, haben von 10 Personen 1,4 unterschrieben. 8,6 Personen haben einstweilen nichts gemacht. Das ist doch eine große Mehrheit, die der Frage keinen „Aktivitätsimpuls“ versetzt hat. Auch bei mir gibt es kein Impulsbedürfnis zur Auto-Schonung.

Mobilität und nicht Auto

Gut erinnern kann ich mich an die breiten Straßen in den Vororten New Orleans. Ich selber hatte das Gefühl, dass dort dem Auto unglaublich viel Fläche geopfert wird. Es gibt wenige, die wie ich zu Fuß unterwegs waren. Und ebenso wenige waren mit dem Fahrrad unterwegs. Mehr schon mit dem Bus und mit der Tram. Es waren die Ärmeren, die darauf angewiesen sind. Das Auto ist Statussymbol, tausendfach psychologisch durchleuchtet. Wer in dieser Stadt 200 Jahre zurückgeht, sieht die Spuren der autolosen Zeit. Dann hat sich dieses luft- und flächenverzehrende Ungetüm über die Stadt hergemacht.  Das Model Mobilität mit Auto hat eine derartige Plausibilität und Sehnsuchtshaltung dorthin entwickelt, dass ein Weniger beim Auto mit einem unglaublichen Lebensqualitätsverlust assoziiert wird. Dabei gibt es Beispiele (im Buch von C.Chorherr, Verändert! angeführt), wie ein Weniger zu mehr Lebensqualität führt.  Viele spüren das und noch mehr genießen das in den autolosen Zonen. Es ist nur schade, dass diese dann oft mit dem Auto angesteuert werden. Ich selber genieße es ungemein, mich hier nicht mit einem Auto herumschlagen zu müssen. U-Bahn, Straßenbahn, Bus und die Füße bringen mich überall hin. Ehrlich: Vor ein paar Jahren hätte ich mir das nicht vorstellen können. Heute kann ich mir das umgekehrt nicht mehr vorstellen. Das Gehen und die innere Einstellung zur Mobilität haben mich verändert. Aus meiner Sicht. positiv. Ein Weniger an Auto ist ein Mehr an Lebensqualität. „Age of Less“ heißt ein Buch von D. Boshart. Mehr Füße hilft, das eigene Mobilitätsverhalten zu überdenken. Zu Fuß komme ich sehr weit. Aber muss ich überall hin?

NZZ schildert die Einführung des Götzen Auto in Hamburg

„Bald aber machte sich mit dem Auto ein neuer Götze breit. Stadtplaner und Architekten führten weiter, was bereits die Nazis begonnen hatten: die autogerechte Umgestaltung der Stadt. An die Stelle der weitgehend unrealisiert gebliebenen Monumentalität der 1930er Jahre traten nun urbanistische Visionen aus den USA, wie die suggestive Ausstellung «Die Stadt und das Auto» im Museum der Arbeit eindrücklich zu erzählen weiss. Die feinmaschige Stadtstruktur, wie man sie heute noch an der Deichstrasse oder im Gängeviertel erahnen kann, wurde durch breite Strassen überlagert, welche die Verkehrsteilnehmer trennten und die Fussgänger Lärm und Abgasen aussetzten.“ Ich schlage vor, das Rad nicht zurückzudrehen, sondern nach vorne in eine neue menschenfreundliche Feinmaschigkeit der Stadt.

 

 

 

Johannesweg: In 21 Stunden das eigene Leben „umpilgern“

Die gut gestaltete Karte zum neuen Johannesweg auf der Mühlviertler Alm ist eingepackt. Meine Frau und ich waren uns seit der Eröffnung am 24. Juni 2012 einig, dass wird den 72 km langen Rundweg „gleich einmal gehen wollen“ [21. 7. 2013: Der Weg wurde auf 80 km verlängert].  Bei der Gestaltung der zwölf Wegstationen durfte ich ideenmäßig mitwirken. Die Inhalte waren vorgegeben. Das erste Juliwochenende war zwei Tage frei. Wir haben vor, die ganze Strecke nicht wie vorgesehen in drei sondern in zwei Tagen zu gehen. Die Erfahrung hat mir gelehrt: Vier Kilometer in der Stunde. Das wären 18 Stunden. Hast und Eile sind nicht des Pilgers Sache. Außerdem sind die Höhenmeter in dieser Gegend nicht unerheblich. Nach nicht ganz 21 Stunden waren wir wieder am Start angelangt.

Unser Einstieg war nicht der vorgesehene Startpunkt

St. Leonhard haben wir als Startpunkt für unser Gehen und Pilgern ausgewählt. Das Grab einer guten Freundin (Martha Huber) suchen wir als erstes auf. Gleich an der ersten „Johannes-Tafel“ begegnen wir Herbert Punz, der die Strecke auf dem Gemeindegebiet von St. Leonhard markiert hat. Großes Lob für ihn und für alle anderen Wegmarkierer. Wunderbar ausgeschildert. Nach etwa zehn Minuten kommen wir zur  Station Bründlkapelle. Eine schöne Kapelle, das Bründlwasser fließt und wir lesen hier aufmerksam am Johannes-Stamm den Lebenstipp des Dermatologen Johannes Neuhofer: „Werde großzügig und strebe nicht gierig nach noch mehr.“ Viele Gespräche kommen mir in den Sinn, die sich im Grunde um das „Loslassen“ drehen. Das Dilemma der Etablierten ist, dass Loslassen und ein freies Zutrauen keinen Platz (mehr) haben. Was nutzt MIR und viel weniger: Was nutzt UNS. Wir trinken vom heilsamen Wasser und gehen den Weg hinunter. Der Aufstieg zum Haiderberg lässt die ersten Schweißperlen aufkommen und in Langfirling begegnen wir einem übergroßen Florian, der aus der dort gefällten Linde geschnitzt wurde. Ein Stück der wenig befahrenen Straße entlang kommen wir zur Waldfeldkapelle. Überhaupt: Wir begegnen sehr vielen sehr schön gestalteten Kapellen und Marterln, die wir immer wieder als „manifestierte Dankbarkeit“ interpretieren.

Schwarze und weiße Aist

Die Augen haben nach zwei Stunden gehen den Kirchturm von Weitersfelden erspäht. Der Weg führt hinunter zum Zusammenfluss von schwarzer und weißer Aist. Ein Fischer hat dort Platz genommen. Wir gehen mit dem Johannesweg auf dem Wollness-Weg rund um Weitersfelden. Zwei Liegen wurden dort schon vor Jahren platziert. Die Weisheit des Johannes-Stammes ist auf der Tafel mit der weißen Lilie im Stamm aufgeschrieben. „Sei tolerant gegenüber deinem Gesprächspartner und akzeptiere auch seine Vorstellungen.“ Ein schwarzer und weißer Fluss fließen hier zusammen. In großer „Toleranz“ mischt sich das Wasser. Der weitere Weg hat seine Gesprächsinhalte gefunden. Wie sehen wir unsere Beziehung, unsere Ehe, unseren Alltag, unser „Zusammengehen“?  Toleranz ist wichtig und doch gibt es noch mehr, um in guter Beziehung zu leben. Es gibt Gesprächsstoff für den Weg – zumindest bis zur nächsten Steigung, die Schritt und Atem näher zusammenführt.

„Shorty“ begleitet uns

Beim Aufstieg nach Nadelbach gesellt sich ein brauner Dackel zu uns. Wir beide sind keine ausgesprochenen Hundeliebhaber. Er macht aber gleich einen zutraulichen Eindruck und er läuft mit uns, als ob er zu uns gehören würde. In Nadelbach haben drei Männer, die auf einer Bank die Vormittagssonne genießen, gemeint: „Ach, der geht öfters wandern mit.“ Ich denke an eine Begebenheit am Weg nach Mariazell, wo auch ein Hund etwa drei Stunden bis Lunz mitgegangen ist und dann wieder zurückgefunden hat. So dachte ich auch bei „Shorty“, wie wir ihn wegen der kurzen Beine genannt haben. Der Weg führt von Nadelbach kilometerweit auf schönen Naturwegen hinauf zur nördlichsten Stelle, dem Kammererberg auf 980 Höhenmeter. Der Ausblick ist wunderbar. Natürlich geht es, wer weit hinaufgegangen ist, wieder hinunter ins Tal. Weil wir auf der Alm sind, geht es nach Kaltenberg wieder hinauf, wo wir zusammen mit Shorty um 13.45 Uhr im Gasthaus Neubauer ankommen. Wir müssen uns rechtfertigen, den Shorty ist der erste, der die Gaststube betritt und gleich einmal unter den Tischen herumschnüffelt. Die Wirtsleute sind allerdings sehr professionell und hilfsbereit. Shorty wird „eingefangen“ und mittels Telefon wird ein Abholdienst organisiert. „Alleine findet er nicht mehr heim“, haben sie gewusst. Nach kurzer Zeit kommt eine Frau und es heißt Abschied nehmen von einem lieben Begleiter. Die erste Zeit hinunter am Kreuzweg nach Unterweißenbach fehlt er uns direkt etwas. Unser Gespräch geht immer wieder in die Richtung: Wie gehen wir mit „Überraschendem“ um? Der letzte Johannes-Stamm an der Aistschlinge bei Weitersfelden hat uns „mitgegeben“: Sei hilfsbereit und ein guter Gastgeber. Wir hoffen doch, dass wir für Shorty gute Wanderkollegen waren. Hier in Kaltenberg wäre normalerweise die Tagesetappe zu Ende. Was täten wir mit dem „angebrochenen Nachmittag“? Eben: Wir gehen  nach einer halben Stunde Pause weiter.

Abstieg und Aufstieg der besonderen Art

Immer wieder begegnen uns am Weg die Folgen von massiven Regengüssen. Der steile Kreuzweg hinunter nach Unterweißenbach wird gerade gerichtet. Zwei Leute graben händisch frische Wasserauslässe. Es berührt uns, wie sich Menschen hier um diesen Weg kümmern. Wir gehen den Kreuzweg hinunter und die Menschen hier gehen ihn normalerweise herauf. Uns steht der Aufstieg aber erst bevor. Durch Unterweißenbach gehen wir durch, vorbei am Büro der Mühlviertler Alm. Das Büro ist natürlich am Samstag nachmittag  geschlossen. Wenn offen gewesen wäre, hätten wir natürlich den „WorkerInnen“ des Johannesweges einen Besuch abgestattet. Der Aufstieg auf den Wegererstein ist unser Kreuzweg, weil er steil ist. 200 Höhenmeter sind zu bewältigen. Begleitet werden wir auf der kommenden Strecke bis zur Hirschalm vom Pilgerpfad „In die Nähe Gottes gehen“ zu den sieben Sakramenten. Firmung, Eucharistie und Taufe „liegen am Weg“.  Die Texte und „Verweilorte“ nutzen wir beide, um uns zu sammeln auf das Wesentliche hin. Beim Eucharistie-Platz teilen wir das kleine Brot, das wir mitgenommen haben. Die Hirschalm erreichen wir um 16.15 Uhr und machen dort, weil wir den quirligen Betreiber Josef Aglas persönlich gut kennen, eine Stunde Pause. Er selbst kann sich nur kurz Zeit nehmen, weil er zwei Hochzeitsgesellschaften zu betreuen hat.

Der schönste Blick

Um 17.15 Uhr machen wir uns zur letzten Etappe dieses Tages auf. Immer wieder haben wir „Gipfelkreuz“ gehört und nicht gewusst, wie und was. Der Weg führt uns leicht hinauf und wieder leicht hinunter bis zum kurzen steilen Anstieg zum Gipfelkreuz. Ein wunderbarer Platz mit einer wunderbaren Aussicht. Im Tal unten liegt Königswiesen unser Tagesziel. Ein Radfahrer aus Wien ist zur gleich Zeit oben und so machen wir jeweils voneinander Fotos. Wir sind uns einig: Ein Gipfelerlebnis mitten im Mühlviertel auf 920 m. Wir sind dankbar, hier zu sein und es drängt uns gar nicht talwärts. Es muss aber sein. Nach einem Abstieg von 920 m auf 610 m erreichen wir Königswiesen um 19.15 Uhr. In der Kirche ist gerade der Abendgottesdienst und wir beten das Vater unser mit. 9 1/2 Stunden Gehzeit liegen hinter uns. Das Wetter war uns wohlgesonnen. Shorty wird wieder daheim sein. Wir genießen in trauter Zweisamkeit den Gastgarten der Karlingers und lassen den Tag nochmals vorüber ziehen. Wir sehen ihn als großes Geschenk. Der Hunger ist „vergangen“ und so brauchen wir nur eine Kleinigkeit. Wer geht, braucht weniger Essen.  Es war anstrengend – aber nährend. Die Kraft kommt im Gehen. Wir gehen bald ins Bett, den der morgige Tag beginnt um 4.15 Uhr.

Zu wenig Aufmerksamkeit ist unser „Vergehen“

Es ist noch finster. Leichte Dämmerung ist um 4.18 Uhr (das zeigt die Uhr am Marktplatz) spürbar. Die Kirche ist leicht beleuchtet. Wir finden wieder unsere Wegmarkierung „Johannesweg“. Wir haben gestern schon gesehen, dass klar und gut markiert ist. Königswiesen verlassen wir bergwärts. Wir hören Menschen „gröllen“. Ein Fest neigt sich dem Ende und die akustischen Überbleibsel hören wir eine Stunde lang. Unglaublich, wie sich das in die tiefe Stille der Gegend bohrt. Bei der Straßenüberquerung übersehen wir ein Schild (es ist noch nicht ganz hell) und gehen falsch. Nach etwa einem Kilometer ist uns klar (es wird immer heller), dass wir falsch sind. Wir wagen einen frei gewählten Bogen einen Bach entlang zurück auf „unseren Weg“. Wir treffen ihn wieder und sind froh. „Wer nicht vom Weg abkommt, bleibt auf der Strecke“ geht mir und uns durch den Kopf. Wir gehen bergwärts durch das nasse Gras. Die Schuhe „feuchteln“. Meine Waldviertler werden innen aber nicht klassisch nass. Ein Schuh, den ich absolut empfehlen kann für solches Gelände. Nach etwa einer Stunde zeigt sich die Sonne hinter uns und unsere Seele erwacht mit. Wir haben beim Weggehen nichts gegessen. Klares Wasser war heute unser Kaffee. Nach vier Stunden erreichen wir Pierbach auf Wegen mit wunderbaren Aussichten und Stimmungen in der Landschaft. Die Nebelfetzen verziehen sich, der Tau trocknet und unsere Schuhe werden wieder trocken, weil es in diesem Fall Gott sei Dank auf Güterwegen dahingeht. Im Gasthaus Populorum geht gerade jetzt das Tor auf, weil die Kirchenbesucher und wir da sind. Für ein wunderbares Frühstück ist jetzt Zeit. Ein so frühes Weggehen ist auch an drei Tagen wirklich empfehlenswert.

Mitpilger vor und hinter uns

Eine Frau hat am Weg zu uns gemeint: „Jetzt mit dem Johannesweg gehen mehr Leute mit Rucksack.“ Klar. Sie sind drei Tage unterwegs und da packt man einiges ein. Sparsam, wenig, aber doch braucht es den Rucksack. An diesem erkennen wir unsere heutigen Mitpilger, die ihren Johannesweg am vorgesehenen Start in Pierbach „angehen“. Sie sind einmal vor uns und dann wieder hinter uns. Unser Weg führt uns auf der Straße hinaus zur Abzweigung „hinüber zum Irxenmayr“, wo die Eröffnung stattfand. Der Johannesbrunnen und die Engelskapelle mit ihren Johannes-Stämmen sind ein unvergesslicher Platz. Wir trinken und waschen uns den Schweiß nicht nur von der Stirn. Die Sonne steigt und „wärmt“. Wir gehen wieder hinunter ins Tal und entlang des Baches hinauf nach Schönau, wo wir um 12.15 Uhr ankommen. Die Kirchenglocken habe wir beim Hinaufgehen gehört. Dort versperrt uns das „Dorffest“ den Weg. In der kühlen Kirche halten wir inne und stärken uns zu zweit mit einem Grillhenderl. Sollen wir das überhaupt essen? Ja, es hat gut getan. Schöne Gespräche beim Ankommen dort lassen wir bei uns nachwirken. Eine Dorfgemeinschaft begegnet uns, die wir auch von daheim kennen. Es heißt aber weiter und laut Karte haben wir noch einige Höhenmeter vor uns. Es geht kontinuierlich nach oben. Der Aufstieg entlang der Speedgleitbahn zum Herrgottsitz fordert mentale Stärke, weil es die Mittagssonne mit uns sehr gut meint. Nach den mehr als 200 Höhenmetern erwartet uns allerdings ein wunderbarer Ort. Es kann schon sein, dass sich hier Gott Vater und Gott Mutter niedergelassen haben, „um das Mühlviertel zu genießen“. Wir machen einige Fotos und unterhalten uns über unser Gottesbild: Vater und Mutter. Wenn wir Jesus genau nehmen, dann dürfte da oben am Herrgottsitz nur ein Kind Platz nehmen: Er stellte ein Kind in die Mitte. Wir lassen uns füllen von diesem kraftvollen Ort und sind bereit, nochmals abzusteigen.

Abstieg und nochmaliger Anstieg

Der weite freie Blick auf das Mühlviertel lässt uns den Weg über Feld- und Wiesenwegen hinunter zur Ruine Prandegg gehen. Ein solcher immer leicht abfallender Weg lässt Luft für Gespräche. Das genießen wir an diesem Johannesweg: Dass er Luft nimmt und Luft gibt im Auf und Ab. Um 14.15 Uhr erreichen wir die Ruine. Die Taverne ist unser Ziel. Etwas trinken und etwas sitzen. Unsere PilgergefährtInnen nehmen neben uns Platz. Meine Frau wirkt etwas gribbelig. Von unserem Assisi-Gehen weiß ich, dass sie mit zwei Dingen nicht ganz „locker“ umgehen kann: Den Weg verlieren und Gewitter. Es wird ganz schwarz am Himmel. Ich beruhige und bete innerlich ganz fest, dass es kein Gewitter werden möge. Wir verlassen die Ruine und gehen hinunter an die Aist zur Haselmühle. Es wird immer dunkler und die ersten Regentropfen erreichen uns. Aber: Es bleibt dabei. Die Regenjacke, die meine Frau übergeworfen hat, war „Drohung“ genug und ein starker Wind hat die Wolken weder verblasen. Danke nach ganz oben. Es hätte auch anders sein können. Ab der Haselmühle geht es wieder etwa 250 Höhenmeter aufwärts. Schwül, 18 Stunden Gehzeit in den Beinen und wir rechnen noch mit zwei Stunden. Oben am Kamm angekommen, geht es in Folge mit einem wunderbaren Blick über das Mühlviertel kontinuierlich hinaus nach St. Leonhard, wo wir um 17.15 Uhr ankommen. Ich mache noch einige Fotos, weil mir am Weg einige Ideen für meine Arbeit gekommen sind. Nach dem Dank in der Kirche legen wir uns unter die Linden, Schuhe aus und einfach den Himmel genießen. Nicht ganz 21 Stunden haben wir am Weg verbracht. Manchmal zügig unterwegs und dann wieder Zeit zum Wahrnehmen, Schauen, Spüren und Genießen. Bevor wir nach Hause aufbrechen, nehmen wir noch im Gastgarten Platz. „Wie ist der Weg?“, hören wir nicht nur einmal. Wir sind uns ganz sicher: Eine gute Möglichkeit, das eigene Leben in zwei – besser in drei – Tagen zu umrunden oder zu „umpilgern“.

Immer wieder taucht meine Rechnung auf:
Gehe drei Tage sieben Stunden und du wirst heilsame Erfahrungen machen.
Dieser Weg ist bestens dazu geeignet.

Facts und unsere Erfahrung:

  • Den Weg in drei Tagen zu gehen ist sicherlich die „richtige“ Entscheidung. Ein langer Tag hat mehr Stunden zum Gehen als manche glauben. [21. 7. 2013: Der Weg ist jetzt auf 80 Kilometer angewachsen. Dh. 2 Gehstunden mehr.]
  • Die sehr gut aufbereitete und übersichtliche Wanderkarte zum Johannesweg im Büro der Mühlviertler Alm vorher anfordern.
    [21. 7. 2013: Die Wanderkarte ist schon aktualisiert.]
  • Bei den Zeitangaben im Internet würden wir einfach jeden Tag eine Stunde dazugeben und das als Netto-Gehzeiten sehen. Das ist relativ leicht machbar.
  • Der Weg ist toll beschildert und geht ganz selten entlang viel befahrener Straßen. Nie gefährlich. Drei „mächtigere Anstiege“ Wegererstein (Unterweißenbach – Hirschalm), Herrgottssitz (nach Schönau) und der Aufstieg nach der Haselmühle.
  • Nach zwei bis drei Stunden ist immer Gelegenheit zu einer ausgiebigen Rast. Damit verbunden muss nicht immer Essen sein. Zu viel und zu schwer essen macht müde, nimmt Energie und beschwert die Füsse. Trinken, Suppe, Milch und Käse, Salat, Studentenfutter usw sind gut für den Weg geeignet. Ich trinke auch gerne Kaffee. Am Weg trinke ich ausschließlich und viel Brunnen bzw. Quell- und Bachwasser. Es gibt immer wieder „Bründl“.

 

Meine einschneidensten Erfahrungen sammelte ich bei diversen Bergtouren, Zu Fuß vom Bodensee zum Neusiedlersee 2004, Assisi-Gehen 2009, Stadtpilgern 2010, als Vagabund in New Orleans 2011, Ich ging ins Kloster Volkenroda (750 km nach Thüringen) 2012, beim jährlichen bergGEHEN mit 12-15 Personen, Zu Fuß nach Mariazell (mehrmals fünf Tage) und Maria Taferl (2011) usw