Dammbruch für das Neue. Drum brich auf!

„Es kommt jetzt eine größere Ehrlichkeit: Schluss mit frommen Sprüchen, Schluss mit Betulichkeit, Schluss mit Vortäuschung von Machtstrukturen, die keine mehr sind. Wir müssen die Orte in der Welt entdecken, wo das Heil passiert, und nicht glauben, wir produzieren es. Das ist die Lehre Jesu“, so Sporschill im Presseinternview.

Die Feigheit fällt uns auf den Kopf

Die Kirche hat sich geweigert, die Realität zu sehen. Es ist vieles heute schon mehr Show als Realität. Tote Institutionen, leere Häuser, behinderter Fortschritt. Sporschill sieht als kirchliche Realität: „Die Schwäche in der Erziehung, die Mutlosigkeit, die Fantasielosigkeit, Neues anzufangen, die Ängstlichkeit, über etwas zu sprechen. Diese Feigheit, über Probleme zu reden, die fällt uns auf den Kopf.“ Jetzt besteht die Chance zur Veränderung: „Das Ärgernis ist, die Chancen, die man hat, nicht zu nützen. Jetzt werden uns die frommen Sprüche abgeräumt, jetzt wird manchem die Luft ausgelassen.“

Kirche im 21. Jahrhundert?

„Ich glaube so sehr an die Kirche und vor allem an die biblische Botschaft, an Jesus, der radikal ist vor allem im sozialen Bereich und in der Begegnung mit allem Fremden. Das wird bleiben und das hat Bestand. Ich erlebe die Kirche begeistert bei Straßenkindern, bei jenen, die vielleicht ausgetreten sind und mit unglaublicher Großzügigkeit helfen. Wir müssen ganz radikal auf diese Seite treten und nicht feig sein, nur an Altem hängen – das ist keine Zukunft. Ich hoffe, dass jetzt auch für das Neue ein Damm bricht. Vielleicht wird im Zuge dieses Dammbruches der Pflichtzölibat aufgehoben, vielleicht kommt auch das Priestertum der Frauen. Das alles kann kommen, wenn der Deckel, der jetzt zerbricht, weg ist“, so P. Sporschill im Interview.

Das ganze Interview ist nachzulesen auf: http://diepresse.com ,
Link direkt auf das Interview: http://xlurl.de/N6C7os

Die Pfarren werden anders

Auf dem Hintergrund der gängigen kirchlichen Praxis in den meisten Pfarren und mit einem klaren Blick auf die neuesten Umfragen zur kirchlichen Situation (auch mit dem nötigen Abstands zu solchen „Umfragen“) erahnen wir, dass sich hier einiges ändern wird müssen. Das Fremde, die Nichterfolgreichen, die an den Rand Gedrängten und vor allem die Andersdenkenden müssen einen zentralen Platz einnehmen dürfen. Kirche steht für Tradition. Auch Pfarren handeln demzufolge. Es braucht in unserer Gesellschaft Orte des Aufbruchs.

„Drum brich auf!“

So ruft  der Pionier Heini Staudinger im gerade erschienenen „Waldviertler“ den KundInnen zu. Das könnte auch den Pfarren und pastoralen Knoten gelten: „In erster Linie geht es nicht sosehr darum, genau zu erkennen, wohin die Reise gehen soll. Der springende Punkt ist, aufzubrechen. Endlich zu erkennen, was uns gefangen hält. Nur wenn wir dieses Gefangensein überwinden, wird es uns – mit ein bisschen Mut, Vertrauen, Zuversicht – , gelingen, uns in Bewegung zu setzen. Wenn wir uns nicht bewegen, bleibt alles so, wie es ist.“

Damit könnten sich die beiden Pioniere Sporschill und Staudinger nicht abfrinden. Auch wir Christinnen und Christen können nicht warten, bis die Bischöfe sagen: Jetzt gehen wir!

Wo sind die Vitalitätskiller der Kirche, fragt Bischof Scheuer

In einem Interview mit dem Tiroler Sonntag nimmt Bischof Manfred Scheuer sehr offen und direkt Stellung zu dem Umfeld, in dem die Missbrauchsfälle passiert sind und jetzt aufgearbeitet werden müssen. Er ist mir persönlich bekannt als „feinfühliger spiritueller Mensch“ und so sind auch seine Worte einfühlsam und klar.Quelle: Tiroler Sonntag „Es geht immer um persönliche Verantwortung“, meint der Jägerstätter-Kenner und Verehrer.

Sexualität, Zölibat und Machtgefüge klar angesprochen

Im Zusammenhang mit der sinkenden Glaubwürdigkeit der Kirche durch den Missbrauchsskandal müsse sich die Kirche heute auch der Frage stellen, was ihre „Vitalitätskiller“ seien, so Bischof Scheuer:  „Natürlich müssen wir überlegen, wo unsere Blockaden sind, und da müssen wir über Strukturen reden, über Sexualität, über den Zölibat,
auch über Bürokratie.“ Die jetzt nach Jahrzehnten öffentlich werdenden Ereignisse seien ein Grund über die Machtverhältnisse in der Kirche und eine „humane Sexualität“, die dem Menschen gerecht wird, nachzudenken. Die Kirche habe etwa im Umgang mit der Sexualität „oft nur die Gelegenheit zur Sünde gesehen“, bedauert der Bischof. „Das war nicht gut, weil es übertrieben war und weil nicht die Schönheit von Sexualität vermittelt wurde.“ Andererseits zeigten sich gegenwärtig auch die abgründigen Möglichkeiten von Sexualität, so Scheuer: „Da wird deutlich, dass es im Bereich von Sexualität Dimensionen gibt, wo einander sehr weh getan werden kann.“

Gott nicht auf  Moral reduzieren

Differenziert setzt sich Bischof Scheuer in dem Interview mit der Frage auseinander, ob die kirchliche Sexualmoral den Blick der Menschen auf die wesentlichen Glaubensinhalte verstellt. „Das Anliegen des Papstes, das Geschenk des Glaubens herauszustreichen, erreicht die Menschen nach meinem Eindruck nur wenig und wird kaum wahrgenommen“, stellt der Innsbrucker Bischof fest. Trotzdem wäre es seiner Meinung nach falsch, die Moral insgesamt beiseite zu schieben. Hinter den kirchlichen Geboten der Sexualmoral stünden „menschliche
Erfahrungen, die Beziehung, Humanität und Familie schützen sollen“, erinnert Scheuer. „Die Gebote sind so etwas wie Fixsterne, die der Orientierung dienen. Dabei ist es nicht hilfreich, Ideale ohne die Lebbarkeit zu vermitteln.“ Es gäbe so etwas wie eine Kränkung durch die kirchliche Sexualmoral, so Scheuer, „Kränkung insofern, weil zu wenig sensibel vermittelt wird, wie es nach Krisen und Scheitern weiter gehen kann.“

Quelle: Kathpress vom 18. März 2010 und http://www.dibk.at/index.php?id=3953&portal=6&isMeldung=1

Der Fall der Mauer. Ein Kommentar vom em. Betriebspfarrer Hans Gruber

Welch eine Woche für die Katholische Kirche im deutschsprachigen Rau. Eine Schreckensnachricht jagt die andere. Die KommentatorInnen ringen um Ausdrücke, die die Lage der Kirche beschreiben: Erdbeben, Tsunami, usw

Vatikanischer Granit

Neben Schreck und Eckel bewegen mich alten Pfarrer noch einige andere Gedanken. Aus der katholischen Jugendbewegung schöpfte ich den Mut als Schmiedegeselle Priester zu werden. Das Konzil der 60er Jahre bestätigte meine Hoffnungen, dass die Kirche keine alte unbewegliche Dame sei. So war ich mein ganzes Berufsleben bemüht, diese meine Kirche etwas nach vorne zu bewegen. 1966 war ich Gründungsmitglied der „Priestergewerkschaft SOG“. Neben liturgischer und disziplinärer Modernisierung agitierten wir an der Lockerung des Pflichtzölibats für Weltpriester. Wir kämpften um menschliche Behandlung heiratswilliger Kollegen. An der Regierungszeit des Papstes Johannes Pauls des II. wurde sichtbar, dass wir mit unseren Zielen auf vatikanischen Granit bissen.

Nur zwei Beschlüsse aus dem Dialog umgesetzt

1995 kam wieder Bewegung in die Sache. In Österreichs Kirche brach der erste Missbrauchsfall ganz oben aus: der „Fall“ Groer. Am daraus entstandenen „Kirchenvolksbegehren“ war ich aktiv beteiligt. 500.000 Unterschriften, dachte wir Akteure, könnte die Kirche nicht übersehen. Wir hatten uns getäuscht. Wenn nicht Bischof Weber gewesen wäre, hätte die Bischofskonferenz die Sache einfach ohne Reaktion ausgesessen. Weber rief 1998 den Dialog für Österreich zusammen. Von den 60 einstimmigen Beschlüssen der 300 Delegierten wurden zwei umgesetzt – durch Bischof Aichern. Alle anderen Reformvorschläge wurden in Schweigen und Untätigkeit erstickt. Oft wurde uns „Modernisierern“ gesagt: „Ihr liegt ja nicht so falsch, aber das kann nur gesamtkirchlich geregelt werden.“ Dieser Verweis hieß in der Regel: Lasst alle Hoffnung auf Veränderung fahren. Ein Wort von Bischof Erwin Kräutler kam uns jedes Mal in Erinnerung: „Brasilien hat riesige Probleme. Für Brasilien gibt es jedoch Hoffnung. Für den Vatikan aber nicht.“

20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer

Das „Wunder“ des Mauerfalls nährte bei mir die Hoffnung, dass auch der Fels Petri irgendwann erschüttert werden könnte. In der Soziologie habe ich gelernt, dass eine etablierte Institution solange unverändert agieren kann, als ihre Mittel zur Regulierung und Disziplinierung wirksam sind. Ich hege die Hoffnung, dass die Kirche vor einem Mauerfall steht. Die DDR scheiterte an der Ökonomie und an der Ideologie. Es gibt gegenwärtig für beides Parallelen zur römisch-katholischen Kirche. Erstens gibt es gewaltige finanzielle Ausfälle für den Vatikan. Viele ehemals reiche nordamerikanische Diözesen, die für den Vatikan spendeten, sind pleite. Ähnlichres läuft in der Bundesrepublik Deutschland. Tiefgreifender ist die „ideologische Krise“. Jährliche Umfragen liefern stetig zu Tage, dass die Gläubigen um Welten von dem Abweichen, was der Vatikan als Lebenslinie vorgibt. Als Beispiel sehe ich die Differenz der offiziellen Sexualmoral zu dem, was heute gelebt wird – auch von KatholikInnen- schlicht desaströs. Erdbebenartig wurde nun in diesen Wochen bewusst, was ohnehin schon allgemein bekannt war, dass sie selbst nicht halten, was sie predigen. Die Auswirkungen sind katastrophal. Erneut wird sich ein Teil des Kirchenvolkes von der Amtskirche abwenden. In erster Linie nicht deshalb, weil die Priester „Sünder“ sind, sondern deshalb, weil sie das System verlogen finden. Dem als Dechant gewählte Pfarrer von Freistadt wird vom Bischof die Bestätigung verweigert, weil er mit einer Partnerin lebt. Andererseits wurden Kinderschänder weiter im Dienst behalten. Unglaublich.

Der Skandal hat den Papst persönlich erreicht

Noch bemühen sich die „Oberen“ um Schadensbegrenzung. Ich hoffe es gelingt ihnen nicht. Den Medien sei Dank,dass jetzt die ganze Welt weiß, was früher mit und hinter dicken Mauern verheimlicht werden konnte. Meine Hoffnung auf Veränderung stützt sich nicht zuletzt darauf, dass der Skandal nun auch den Papst selber erreicht hat.
Erstens hat er als Erzbischof in München einen Priester der wegen Kindesmissbrauch eine Norddeutsche Diözese verlassen musste in München wieder in Dienst genommen. Er wurde erneut straffällig. Nun bemüht man sich, den Papst rein zu waschen, indem man die Wiederbeschäftigung dem Münchner Generalvikar in die Schuhe schiebt. Als alter Gefangenenpfarrer hör ich da die Nachtigall singen: „Ich habe öfter als einmal den Prokuristen anstatt des Chefs im Häfen sitzen sehen!“ Zweitens hat Papst Benedikt als Chef der Glaubenskongregation an die 3000 Bischöfe der Welt erst 2001 einen Brief geschrieben, indem er befahl, mit Missbrauchfällen höchst diskret und geheim umzugehen. Er setzte damals noch den Tupfen drauf, in dem er auftrug, das Schreiben selbst unter Strafandrohung geheim zu halten.

Auf einem kochenden Topf ist nicht gut sitzen

Nun gibt sich der Papst „erschüttert“. Das glaub ich ihm. Auf einem kochenden Topf ist nicht gut sitzen. Gott gebe, dass es nicht nur den Papst erschüttert, sondern das ganze System. Allerdings berichtet der Vatikanexperte Andreas Englisch schon wieder von einem geistigen Schlupfloch für die päpstliche Verantwortung. Der Papst reagiere mit Verständnis auf Kirchenaustritte, weil er die Theorie der „Kleinen Herde“ vertrete. Er sagt: „Es ist besser eine kleine Herde zu haben“. Das macht mich als langjährigen Betriebspfarrer wütend. Jesus zielte doch nicht auf einen kleinen, elitären, konservativen Haufen. Er hat uns in die ganze Welt hinausgeschickt.

Frauenfrage als Angelpunkt für Männerkirche

Als junger Kaplan hatte ich über meinem Schreibtisch zwei Fotos hängen: ein Gruppenbild von 20 Kardinälen und ein Gruppenfoto des Obersten Sowjet. Der Vergleich war erstaunlich. Erstens glichen sich erstaunlich ihre ernsten, humorlosen Gesichter und zweitens gab es keine Frau unter ihnen. Mir war damals schon klar: autoritäre Systeme werden immer nur von alten Männern geleitet. Deshalb glaube ich, dass die Frauenfrage der Angelpunkt der Kirchenreform ist.

Hans Gruber ist nach wie vor ehrenamtlich in verschiedensten Seelsorgefeldern tätig und begleitet als Priester viele Frauen und Männer in der Arbeitswelt. Erreichbar ist er über das Urbi@Orbi ( urbi.orbi@dioezese-linz.at ), wo er auch ehrenamtlich tätig ist.

Man hätte mehr auf die Frauen hören müssen

Ich selber habe als 11-jähriger Petriner Glück gehabt. Wir waren die erste Klasse, die damals zwei weltliche Erzieherinnen bekommen hat. Damit war die „harte Männerdomäne entschärft“. Das wäre überhaupt der Schlüssel gewesen: Die Frauen sollten an leitenden Stellen die Geschicke der Kirche in die Hand nehmen.

Jahrelanger Einsatz der kfb gegen sexuelle Gewalt

Gegen eine Pauschalverurteilung der katholischen Kirche wegen des Umgangs mit sexuellem Missbrauch und Gewalt gegen Kinder und Jugendlichen wendet sich die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, Margit Hauft. „Die Katholische Frauenbewegung Österreichs setzt sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Problem sexueller Gewalt gegen Kinder und Frauen auseinander. Wir haben nicht geschwiegen, sondern immer wieder an die Kirchenleitung appelliert, sexuelle Gewalt nicht weiter zu tabuisieren und Maßnahmen zu deren Bekämpfung zu setzen. Als größte katholische Laienorganisation im Land sind wir ein wesentlicher, aktiver Teil der katholischen Kirche Österreichs und lehnen deshalb jede Pauschalverurteilung der Kirche strikt ab.“

Die Katholische Frauenbewegung widmete bereits beim Festgottesdienst zu ihrem 40jährigen Bestehen im Jahr 1987 die Kollekte für die Errichtung einer eigenen Beratungsstelle für Opfer von sexueller Gewalt. 1989 gründete sie gemeinsam mit der Evangelischen Frauenarbeit in Wien die Beratungsstelle Tamar für Opfer von sexuellem Missbrauch, die später auch die erste diesbezügliche Ombudsstelle der Erzdiözese Wien wurde. Diese Funktion hat die heute eigenständige Beratungsstelle nun allerdings nicht mehr.

Bereits 1991 vor dem Fall Groer forderte die Katholische Frauenbewegung Österreichs im Rahmen einer Kampagne des Ökumenischen Forums christlicher Frauen in Österreich „Kein Schweigen zu sexueller Gewalt!“ Die Christinnen appellierten an Kirchen und Glaubensgemeinschaften, Information und Bewusstseinsbildung über die Themen Inzest, sexuellen Missbrauch, Vergewaltigung und sexuelle Belästigung in den Gemeinden zu leisten. Kleriker und Laien müssten für diese Probleme sensibilisiert werden. Die Errichtung und Finanzierung von Beratungsstellen und von Einrichtungen zur Krisenintervention wurde gefordert. Diese Kampagne wurde einige Jahre später wiederholt.

Im April 1995 als Anschuldigungen gegen Kardinal Dr. Hans Hermann Groer laut wurden trat die damalige kfbö-Vorsitzende Ingrid Klein für die unverzügliche Einrichtung eines Untersuchungsausschusses ein, dessen Ergebnisse veröffentlicht werden sollten. Das Thema sexueller Missbrauch von Minderjährigen dürfe nicht länger tabuisiert werden, betonte damals Ingrid Klein. Bis heute setzt die kfbö immer wieder Initiativen, um das Schweigen über Gewalt zu brechen. So warb sie zuletzt im November und Dezember 2009 für den Gebrauch des Frauennotrufs gegen Männergewalt.

„Trotz allem wird aber auch heute noch Männergewalt häufig verschwiegen, verdrängt, vertuscht und still von Frauen und Kindern erduldet, um den idealisierten Vorstellungen von Familie und Kirche zu entsprechen. Umso wichtiger ist es, dass nun Opfer von sexuellem Missbrauch durch ihre Erfahrungsberichte die Kirchenleitung zum verstärkten, effizienten Handeln zwingen“, erklärt die kfbö Vorsitzende Margit Hauft.

(aus www.kfb.at )

Wenn alles Sünde ist von Cornelius Hell

Die öffentliche Debatte über sexuellen Missbrauch in Einrichtungen der katholischen Kirche greift zu kurz. Die Kirche als Ganzes müsste sich ändern: So ziemlich alles, was sie in den vergangenen Jahrhunderten zum Thema Sexualität von sich gegeben hat, ist obsolet.

Es lohnt sich, den ganzen Atikel in der Online-Presse ( http://xlurl.de/31O3X5 ) weiterzulesen.

Cornelius Hell ist 1956 in Salzburg geboren, Literaturkritiker und Übersetzer.

Offen reden auch bei Bischofsernennungen

Das, was die römisch-klerikale Amtskirche derzeit am schmerzlichsten „lernt“, ist der Umgang mit Transparenz und offener Kommunikation. Das System „vertuschen und verheimlichen“ ist gerade inpuncto Missbrauch am Ende angelangt. Die Medien leisten hier einen enorm wichtigen und wertvollen Dienst. Sie sind praktisch die Aussprachezimmer geworden, weil Betroffene sonst eher Beschwichtigung als Verständnis und Hilfe erfahren haben.

Transparente Kommunikation in allen Bereichen

Im Rückblick ist die damalige CD-Card der KJ im Grunde daran „gescheitert“, weil über das Thema Sexualtät nicht offen und ehrlich gesprochen werden durfte – zumindest nicht auf einer kirchlich digitalen Scheibe. Es durfte nicht sein, was nach der Vorstellung von engen Moralisten nicht sein darf.  Heute lernt die Kirche in ihren Amtsträgern, dass die Wahrheit frei macht, dass der Blick auf die Tatsachen und das offene Reden darüber hilfreich und notwendig ist. Was für die Fälle von Missbrauch heute gilt, sollte auch für andere tabuisierte Bereiche gelten: die Bischofsernennungen. Hier wird auch mit dem Siegel der Verschwiegenheit und dem päpstlichen Schweigegebot eine echte Grauzone geschützt. Was wäre falsch, wenn der Dreivorschlag des Bischofs an Rom in einer Wahl durch die diözesanen Gremien zustande kömme, dieser offen nach Rom geschickt würde und dort darüber aus „weltkirchlicher Sicht“ befunden wird. Argument und Gegenargument offen und transparent auf den Tisch gelegt, aufeinander hingehört.  Im offenen geschwisterlichen Austragen der Interessen könnte die Kirche etwas vorlegen. Jesus hat ja gemeint: „Bei euch soll es anders sein.“ Dieses Anderssein könnten wir in vielen Bereichen der Gesellschaft dringenst brauchen. Deshalb verläßt mich der Gedanke nicht mehr: Transparente offene partnerschaftliche Kommunikation auf Augenhöhe muss zum „Betriebssystem“ gehören oder die Glaubwürdigkeit sinkt in den Unter-Keller.

Lieber Herr Pfarrer!

So steht es im Regelfall auf einem Brief, der „aus der Diözese“ an eine Pfarre geht. So auch bei uns in Kirchschlag in Vorbereitung auf die bevorstehende bischöfliche Visitation Mitte Juni 2010. Natürlich ist es notwendig, dass sich der „diözesane Gast“ ein Bild von der Arbeit in der Pfarre macht und deshalb von den pastoralen Kernaufgaben bis hin zur Verwaltung einige Daten gesammelt haben möchte.

Liebe Pfarrverantwortliche!

In unserem Fall und in vielen anderen Fällen auch, geht diese Anrede, wenn sie genau genommen wird, „ins Leere“. Wir haben einen Pfarrprovisor und darauf sind wir auch stolz. Er ist aber kirchenrechtlich und praktisch nicht „der Herr Pfarrer“. Wir sind eine Pfarre mit erweiterter Leitungsfunktion durch den PGR. Dort ist er natürlich dabei. Das heißt, dass wir ein Team bilden zusammen mit dem Pfarrprovisor und so die Geschicke der Pfarre, von der Liturgie, dem Sozialen, der Glaubensverkündigung. der Gemeinschaftsbildung bis hin zum Bauen usw. gemeinsam leiten. Noch dazu ist es so, dass es für die Angelegenheiten des Geldes und des Personals einen „Mandatsnehmer“ gibt, der immer in Absprache mit dem Finanzausschussleiter alles unterschreibt. So hat es sich der Pfarrprovisor gewünscht. Das macht auch Sinn. Jetzt sehen wir, dass selbst aus dem Inneren der Diözese diesen Veränderungen nicht Rechnung getragen wird. Ob es nun Unwissenheit, ein Missverständnis oder System hat, will ich nicht beurteilen. Mein Vorschlag bei der Anrede „von innen her“ ist: Liebe Pfarrverantwortliche! Das entspricht viel mehr der gewachsenen Realität als die klerikale Zuspitzung auf „den Herrn Pfarrer“, die im Endeffekt praktisch daneben geht. Wer will, dass gemeinsame Verantwortung wahrgenommen wird, der muss sie auch in der Anrede ganz klar und motivierend zum Ausdruck bringen.

Eine Kleinigkeit, die aber doch einiges versalzen oder motivierend würzen kann.

Zwei Prozent der zwei Prozent wären genug

Aus einer aktuellen IMAS-Umfrage geht hervor, dass 42 Prozent der Österreicher glauben, dass Nonnen und Mönche glücklicher sind als der Großteil der Bevölkerung. Vor allem die weiblichen Befragten (47 Prozent) sind der Ansicht, dass es sich in Klöstern und Stiften besser leben lässt. Bei den Männern sind 36 Prozent der Befragten.

Zwei Prozent können sich vorstellen, im Kloster zu leben

Von den 1.065 befragten Personen können sich zwei Prozent vorstellen, im Kloster zu leben. Man stelle sich vor, dass in Oberösterreich von den 20.000 Menschen, die einer solchen Vorstellung positiv gegenüber stehen, wieder nur 2-3 % der inneren Stimme folgen und ins Kloster eintrefen würden. Das wären 400-600 Männer und Frauen. Jede Novizenmeisterin oder Novizenmeister würde aus heller Freude Luftsprünge machen. Warum gehen diese Menschen aber nicht ins Kloster? Darüber gibt, soweit ich weiß, die Studie keine Auskunft. Spiritualität und Glauben sind interessant, nicht aber jene Orte und Gemeinsachaften, die dafür stehen. So hat man bei diesen Zahlen den Eindruck.

Wer überspringt die Mauer

Es gibt eine Mauer, einen Membran zwischen drinnen und draußen. Sie wird sowohl von innen (durch einen manchmal seelenlosen Klosteralltag) und von außen ( durch das immer grauere und menschenfeindlichere Image der Kirche allgemein) errichtet. Die große Frage bleibt: Werden diese Menschen die Mauer überspringen (wollen) oder doch lieber ihrer spirituellen Sehnsucht und Berufung außerhalbder bisherigen klösterlichen Gemeinschaften  eine Gestalt und Gemeinschaft geben. Natürlich ist da bei jedem und jeder einzelnen auch noch eine Mauer: Treue lebenslang.