Gut erklärt: Wie mit Nahrungsmittel spekuliert wird

Immer öfter tauchen jetzt Gott sei Dank sehr klare und einfache Erklärungen für das derzeitige „Finanzwesen“ auf. Meine Erfahrung zeigt, dass selbst PolitikerInnen diese Machenschaften nicht durchschauen und nicht bereit sind, „die Sache für uns alle an der Wurzel zu fassen.“ Im Buch „Wem gehört die Welt“ (Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter – oekom) wird eine Alternative zur blinden Dynamik des Wettbewerbes und des „survival of the fittest“ aufgezeigt und als Ziel klar formuliert: Die Idee von Schutz, Wiederaneigung und Erweiterung der Sphäre der Gemeingüter ist ein Kompass für den Weg in die sichere Zukunft.“ Dazu gehört die Stärkung der Rolle des Einzelnen in den verschiedenen Gemeinschaften und die Stärkung der Rolle der zivilen Gesellschaft gegenüber dem Markt und dem Staat.

Kurz gesagt: Wir müssen uns auf die Füsse stellen und tun, was uns als „Commoner“ verbindet und uns allen nutzt – zum Wohle aller.

Hier zwei Videos, die sehr anschaulich darstellen, wie derzeit auf fast alles spekuliert wird – selbst auf Nahrungsmittel.

http://www.youtube.com/watch?v=X32bhc9EB_I&feature=player_embedded (Nahrungsmittelspekulation)

http://www.youtube.com/watch?v=2kyZx8by6io (Währungspekulation)

Und was steht am heutigen Tag  im Evangelium?

„Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr gebt den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel und laßt das Wichtigste im Gesetz außer acht: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue. Man muß das eine tun, ohne das andere zu lassen.
Blinde Führer seid ihr: Ihr siebt Mücken aus und verschluckt Kamele.
Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr haltet Becher und Schüsseln außen sauber, innen aber sind sie voll von dem, was ihr in eurer Maßlosigkeit zusammengeraubt habt.
Du blinder Pharisäer! Mach den Becher zuerst innen sauber, dann ist er auch außen rein.“ (Mt. 23,23-26)

Es gibt keine Zufälle, sondern es fällt uns zu. Sie werden es nicht hören (wollen).

Auf dem Weg in die Tätigkeitskultur

„Glück, Leistung, das Leben definieren sich über sinnvolle Tätigkeiten, ob bezahlt oder nicht“, schreibt David Bosshart in seinem Artikel „Workstyle“ im neuesten GDI Impuls. Es besteht die Aussicht, dass unsere Existenz wieder herausfindet aus dem neoliberal geprägten Markt, den Zahlenparametern und dem immer „Mehr“. In absehbarer Zukunft wird es kein Zurück zur Lifestyle-Dominanz geben. Dafür nennt Bosshart verschiedene Faktoren, die hier nur einmal so in den Raum gestellt werden: Schulden-Faktor, Pleite-Faktor, Moral-Faktor, Motivations-Faktor, Alters-Faktor und Ökologie-Faktor. „Wenn die Menschen evolutionär überleben wollen, müssen sie sich als tätige Wesen definieren. Dafür muss Arbeit eingebettet sein in das, was wir Lebensqualität nennen, und darf nicht davon abgetrennt werden: Der richtige «Workstyle» bestimmt letztlich den Lifestyle.“ – heißt es in den Summeries.

Etwas Sinnvolles tun und beitragen

Im Sinne der Lifestyle-Gesellschaften haben sich Scheinwelten aufgebaut. Nicht Tätigkeiten stehen im Vordergrund, sondern Inszenierung und „so tun als ob“. Die Medien unterstützen diese Scheinwelten und die Wirtschaft ist eifrig, diese gestylten Welten mit allerlei Produkten zu bedienen. Den Selbstdarstellern und der Inszenierungsindustrie zur Hilfe. Das gerät ins Stocken, wie wir allseits mit offenen Augen wahrnehmen können. Die Menschen suchen etwas anderes: sinnvolle Tätigkeiten, die den Alltag ausfüllen. Die gestylten Gesellschaftsfragmente werden immer suspekter. „Im Age of Less können auch jene, die es könnten, keinen hedonistischen Lebensstil wagen“, meint Bosshart. Da stimme ich ihm voll zu. Diesen hedonistischen Lebensstil auf Kosten der Vielen kann heute kein Verantwortungsträger mehr wagen. Das ist gut so. Ich plädiere dafür, dass die „abgehobenen Hubschrauber wieder landen bei den Menschen“ und dass wir gemeinsam etwas langsamer und intensiver unterwegs sind. Viele Entscheidungsträger tun das schon. Soziale Verantwortung wird nicht nur auf die Fahnen geheftet, sondern praktisch und konkret zu leben versucht. Außerdem tauchen gemeinsam betriebener Gärten auf, Wandern in der nächsten Umgebung ist wirklich heilsam , Fahrgemeinschaften und mehr Sensibilität für „Enkel-Tauglichkeit“ ist ein guter Beginn. Woran wir aber wirklich arbeiten werden müssen ist, dass jeder der „Menschengemeinschaft“ mit sinnvollen Tätigkeiten das dankbar zurück geben kann, was wir schon empfangen haben. Commons und Gemeingüter werden zukünftige Begriffe sein, jetzt noch abseits vom wirtschaftlich geprägten Mainstream. Ob diese Tätigkeiten bezahlt oder nicht bezahlt sind, bleibt aufgrund der ungleichen Ressourcen-Voraussetzungen doch ein zentrales Thema, außer:

Man denkt ernsthaft das bedingungsloses Grundeinkommen weiter.

Gott poltert nicht

Nachdem ich einige positive Rückmeldungen auf meine heutige Predigt beim Gottesdienst in Kirchschlag am 6.  August 2011 bekommen habe, stelle ich diese hier zur Verfügung. Es gilt natürlich das gesprochene Wort ;-).

Liebe Schwestern und Brüder!

Ich hatte jetzt 14 Tage Urlaub. Davon war ich eine Woche am Berliner Höheweg im Zillertal gemeinsam mit anderen unterwegs und zu sechst drei Tage zu Fuss nach Maria Taferl. Wer kennt nicht diese wunderbaren Naturbegegnungen in den Bergen, aber genauso hier bei uns im Mühlviertel.
Es gibt Gott sei Dank eine neu aufkeimende Sehnsucht nach Naturbegegnung. Bei aller Technik, bei allem Fernsehen und den Möglichkeiten des Internets kommt man jetzt wieder mehr drauf, dass der Mensch und gerade Kinder in der Naturbegegnung heil, ja geheilt werden kann. Die Natur ist die beste Therapeutin oder Spielgefährtin. Naturbegegnung meint die unberührte und wilde Natur. Nicht die gezähmte Spielplatznatur oder gar das mit gekauften Spielsachen gerammelt volle Kinderzimmer. Waldkindergärten. Tätigkeiten im Wald. Schwammerlsuchen ist wieder in. Wie oft haben wir auf unserem Weg nach Maria Taferl Pilze gesehen und voller Wehmut stehen lassen müssen, weil wir keine Gelegenheiten hatten, sie zu genießen.
In Vorarlberg wurde der Schulbus wieder abgeschafft und die Kinder dürfen wieder wie wir früher in die Schule gehen. Der Schulweg war ja für uns auch unendlich lange Naturbegegnung und auch Gemeinschaftsbildung. Dort nennen sie das Pedi-Bus. Das gemeinsame Gehen mit den Füssen. Ältere Menschen teilen sich ein und gehen mit den Kindern streckenweise mit. Ich behaupte: Diese Menschen erleben den neuen Wohlstand – den Zeit- und Bewegungswohlstand.
Der Prophet Elija war auch unterwegs. Er ging in eine Höhle, um dort zu bleiben. Nein, er wurde wieder hinausgerufen in die Natur. Gott wollte ihm begegnen, in der Natur, am Berg. Ja, das Berggehen ist im Grunde mit der tiefen Sehnsucht nach Gottesbegegnung verbunden. Darum schreibe ich immer wieder in das Gipfelbuch: viele Wege führen zu Gott, einer über die Berge. Welchem Gott und wie begegnen?
Gott poltert nicht.

Er ist leise. Weder im Sturm, noch im Feuer, wo Macht sichtbar und Angst spürbar wird. Nein, im Säuseln des Windes. Im Einfach da sitzen, schauen, staunen, hören.  Diese Aufmerksamkeit ermöglicht Gottesbegegnung – nicht nur am Berg. Auch hier bei uns in der St. Anna Kirche. Da stehen bei einem angezündeten Licht hier  in der Lichterkapelle.

Wir sehen heute sehr viele selbsternannte Götter, die in den Medien und auf Events (das Fernsehen ist natürlich „Adabei“) dahinpoltern und so die Menschen beeindrucken wollen. Die Naturbegegnung, das Schauen von einem Gipfel in das Land, das Hinhören auf die leisen Töne der Natur macht uns sicher: Gerade diese Menschen sollten wir meiden und ihnen mit ganz großer Skepsis begegnen.  Das ist uns oft nicht klar und Sturm, Beben und Feuer sind beeindruckend. Wir wissen aber selber und spüren, dass das unsere Seele nicht nährt und auch keine Zukunft hat.
Ich durfte in Zürich den CEO vom Gottlieb Duttweiler Institut persönlich kennenlernen. Er hält Vorträge weltweit, wie sich unsere Gesellschaft weiterentwickeln wird. Er hat im Gespräch so nebenbei gemeint: Das Schlimmste ist nicht die Finanzkrise, sondern der rasante Niedergang der Katholischen Kirche. Das hat mich einigermaßen erschüttert. Ich  habe nachher die Gelegenheit genutzt, mit ihm im Zweiergespräch das genauer abzuklären. Warum? –fragte ich ihn. Er meinte: Wer steht heute noch für Werte, die langfristig tragen. Wer hat noch Rituale, die den Alltag auf Gott hin öffnen. Und wer bildet noch eine Solidarität, eine Gemeinschaft, die zweckfrei und ohne Hintergedanken gelebt wird. Wer steht für die uneingeschränkte Würde des Menschen?  Aus seiner Sicht versagt die Elite, die Oberen der Kirche fundamental. Sie sind nur mit sich selbst beschäftigt.
Ich erzähle im von den vielen Pfarrgemeinden, die aber genau das leben. Er bewundert das, aber er weiß, dass das in der Weltgestaltung durch die Eliten und die Oligarchien auf Weltebene keinerlei Rolle spielt. Wir können und dürfen uns nicht auf „die da oben“ verlassen. Das ist aber nicht nur in der Kirche so – auch in der Politik.
Gerade hier lehrt uns die Natur. Es sind schon viele Stürme über manche Landstriche drübergezogen, haben zwar Opfer gefordert, aber die Natur hat sich wieder erhoben. Es kommt auf uns an, dass wir uns erheben.
Betrachten wir einen alten Baum: Da sind schon Generationen davor gesessen und der Baum könnte uns alles das erzählen.
Wir können von der Natur lernen, was Gott uns und auch dem Elija sagen will: Im Kleinen, im Unscheinbaren, oft im Unsichtbaren passieren die wichtigsten Dinge – Dinge, die wirklich tragen und innere Freude und wahre Gemeinschaft stiften.
Elija verhüllte mit dem Mantel sein Gesicht vor diesem Säuseln. Er spürt: Hier passiert das Großartigste, hier ist Gott.
Geht es uns nicht manchmal auch so, dass wir fast beschämt sind von der Schönheit der Natur und den dortigen Zusammenhängen. Hier klopft Gott an unser Herz. Und wir spüren die Großartigkeit. Gestern hat einer auf unserer Terrasse erzählt, was er gerade in der Beobachtung seiner Bienenstöcke alles entdeckt.
Urlaubszeit ist Begegnungszeit – mit Menschen und hoffentlich auch mit viel Natur. In beidem begegnet uns Gott auf wunderbar leise Art. So sei es. Amen.

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Auf diesen Lesungstext bezog sich die Predigt (1 Kön 19, 9a.11-13a):

In jenen Tagen kam Elija zum Gottesberg Horeb.Dort ging er in eine Höhle, um darin zu übernachten. Doch das Wort des Herrn erging an ihn:Komm heraus, und stell dich auf den Berg vor den Herrn! Da zog der Herr vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr kam nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr kam nicht im Erdbeben.Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr kam nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln.
Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.



						
						
						
		

Drei Tage sind (zu) wenig für diesen weiten Weg

Auf PILGERN.AT schildere ich unser mariataferlGEHEN im August 2011.

bergGEHEN 2011 am Berliner Höhenweg im Zillertal in Tirol


Die Anreise in das Zillertal  ist an diesem Sonntag 24. Juli 2011 nicht einfach: Wider Erwarten Stau auf der Autobahn in Bayern. Das erinnert uns an die recht einfache Alternative, den Ausgangspunkt für diese Bergwoche in den Zillertaler Alpen mit dem öffentlichen Verkehrsmittel anzusteuern: Zug nach Jenbach und Schmalspurbahn nach Mayrhofen. Noch dazu: Das Wetter ist schlicht gesprochen miserabel. Schnee schaut von den Bergen. Unseren ersten „Stützpunkt“ verlegen wir sogleich von der Edel-Hütte ins Tal ins Haus Regina in Mayrhofen.

Unser Plan und wie es tatsächlich kam

Wochenlang stand dieser Plan im Raum und in den 10 Köpfen – die Umrundung des Zillertales am Berliner Höhenweg:
1. Tag: Anreise ins Zillertal und Aufstieg (bzw. teilweise Auffahrt mit Gondelbahn) zur Karl-von-Edel-Hütte (2.238 m).
2. Tag: Übergang zur Kasseler Hütte (2.178 m) – geplante 9 Stunden.
3. Tag: Übergang zur Greizer Hütte (2.227 m) – geplante 5 Stunden.
4. Tag: Übergang zur Berliner Hütte (2.024 m) – geplante 7 Stunden.
5. Tag: Übergang zum Furtschaglhaus (2.295 m) – geplante 6 Stunden.
6. Tag: Übergang zur Olperer Hütte (2.389 m) und weiter zum Friesenberghaus (2.498 m) – geplante 6 Stunden
7. Tag: Übergang zur Gamshütte (1.921 m) – geplante 7 Stunden
8. Tag: Abstieg nach Mayrhofen (ca. 1.200 Höhenmeter) und Heimfahrt.
Ein „ehrgeiziger Plan“ wie manche meinten. Noch dazu war geplant, einige Gipfel „mitzumachen“. Kurz gesagt: Das Wetter hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht: ca. 20-30 cm Neuschnee auf 2.500 m und ab dem 5. Tag Regen und Nebel. Das hat uns 3  wunderbare Bergtage bei kühlen Temparaturen ermöglicht und am 6. Tag den Abstieg nahe gelegt. Und so haben wir schließlich unsere Tour den Umständen „angepasst“ und nehmen trotzdem oder gerade deshalb schöne Erinnerung aus dem Zillertal mit nach Hause. Aber nun der Reihe nach.

Klamm und wunderbare Hüttenwirte

Nach der Übernachtung und Frühstück im Haus Regina (28.- EUR) in Mayrhofen starten wir durch die Stillupklamm ins Stilluptal. Das wärmt uns angesichts der schneebedeckten Berge, die wir gleich am Morgen von oben her zu Gesicht bekommen. Ein Überstieg von der Edelhütte zur Kasseler wäre unter diesen Umständen „äußerst gefährlich“ gewesen. Der Klammweg ist schön angelegt und das viele Wasser neben uns macht jedes Gespräch unmöglich. Außerdem steigen die ersten Schweißperlen auf die Stirn und jede und jeder ist mit der Atmung beschäftigt. Wir kommen auf die schmale Straße und folgen ihr über 15 km bis zur Grünen Wand Hütte (1.473 m). Dort machen wir zusammen mit den letzten „Fahrtouristen“ mittag. Gestärkt geht es einen wunderbaren Weg hinauf zur Kassler Hütte vorbei an der Materialseilbahntalstation. Der erste Blick auf die Hütte zeigt: Wir sind an der Schneegrenze angelangt. Trotz kalter Temperaturen wagen wir eine Dusche im Freien mit kaltem Wasser. Erfrischung pur. Zwei Brüder bewirtschaften auf äußerst persönliche und liebevolle Weise diese Hütte. Die ganze Gruppe wird begrüßt, das Essen aufgenommen, das Wetter und die Wege für morgen professionell erklärt und alles in einer wunderbaren Atmosphäre. Beim Weggehen am nächsten Tag waren wir uns alle einig: Diese Hütte kann was!

Talschlussrundgang und erste „Schneescharte“

Schon der wunderbare Blick am Vortag von der Hütte auf die Lapenscharte (2.701 m) gegenüber hat uns gezeigt: Wir werden dem Schnee begegnen. Das Wetter war hervorragend: Sonne und kühle Temperaturen. Die 10 Bergfreunde waren in jeder Hinsicht „gut beieinander“. Nicht alle waren über eine ganze Woche so hoch oben. Die Greizer Hütte „hinter der Scharte“ ist unser Ziel. Wir erleben einen wunderbaren Tag. Wir umrunden auf fast immer dergleichen Höhe den gesamten Talschluss und steigen dann etwa 500 Höhenmeter auf zur Scharte. Die schneebedeckten Steine haben unsere ganze Aufmerksamkeit verlangt. Den „Schneeweg über die Scharte“ haben wir gut gemeistert. Die Kasseler Hüttenwirte haben uns gesagt: Das geht gut – trotz Schnee. Und es ist wirklich gut gegangen. Der Abstieg auf die Greizer Hütte hat einigen gezeigt, dass „ihr“ erster 3.000-er (Gigalitz) wegen der Schneelage nicht zu machen ist. Schweren Herzens machen wir ein „Gipfelfoto“ bei der Abzweigung. Die Greizer Hütte emfängt uns wieder sehr gastfreundlich. Mit einigen Gästen sind wir schon bekannt. Eine Gruppe von Engländern ist 14 Tage am Berliner Weg unterwegs. Sie verbringen immer zweit Tage auf einer Hütte. Gletscher lachen uns von überall her an und die Sonne mit ihren Wolken ist unsere Begleiterin. Es schaut sehr gut aus und „alle sind gut bei Fuss“.

Hinunter – hinauf – hinunter und eine unglaubliche Berliner Hütte

Schon am Vortag haben wir unseren Abstieg von 400 Höhenmeter und Aufstieg über 1.300 Höhenmeter (also mehr als einen Traunstein) zur Mörschenscharte (2.872 m) vor Augen gehabt. Der 3. GEH-Tag ist aus meiner Sicht immer geprägt vom „Beisammen-Bleiben“. Auch wenn die Geschwindigkeit  der Gruppenteilnehmer noch so unterschiedlich ist, hat es sich bewährt, gemeinsam den Aufstieg zu meistern. Die einen ziehen und die anderen hängen sich an, mental gemeint. Das gibt Kraft. Da ist man für die einen der „Bremser vorne“ und für die anderen der „Ermutiger am steilen Weg“. Am Weg über die Scharte stapften wir manchmal bis an die Knie im Schnee. Der letzte steile Teil war mit Seil gut versichert. Genau auf der Scharte machen wir ein Foto – mitten im Winter. Mit einer wunderbaren Rundumsicht werden wir belohnt. Wir steigen etwa 1 1/2 Stunden ab und kommen zum Schwarzensteinsee. Die Sonne verleitet zwei MitgeherInnen zum Hineinspringen und wegen der arktischen Wassertemperatur zur schnellen Seeflucht: Erfrierungsgefahr. Wir alle rasten am von der Sonne aufgewärmten Stein und liegen fast eine Stunde in der Sonne. Der weitere Abstieg zur Berliner Hütte zeigt, dass wir hier einen alten Weg begehen. Wir sind wirklich überrascht von der Größe der Berliner Hütte und der Architektur. Der Empfangsraum großzügigst und der Speiseraum hat eine Höhe von fast 5 m. Ein eigener „Damen-Salon“  zeigt von der großen Geschichte der einst größten Hütte der Alpen. In den 20-er Jahren hat ein Hüttenwirt, der auch Architekt war, Spuren hinterlassen. Wir studieren die Geschichte und genießen die Zeit. Eine Frage ist immer wieder im Raum: Wie wird das Wetter morgen?

Nur heißt es improvisieren: Nicht Aufstieg, sondern Umstieg

Sehr gut geschlafen. Weckerläuten um 5.30 Uhr. Frühstück um 6 Uhr. Wir wollten das prognostizierte „bessere Wetter am Vormittag“ noch nutzen für den Aufstieg zum Schönbichler Horn (3.134 m) und Übergang zum Furtschaglhaus. Es kam anders: Nebel und Regen. Wir frühstücken doch um 6 Uhr und warten dann bis 8 Uhr. Es wird nicht besser. Was tun? Ein Aufstieg in den Nebel und Schnee kommt für uns nicht in Frage. Wir kreiren eine neue Route: Abstieg zur Breitlahner-Hütte, Fahrt mit dem Bus zum Schlegeis-Speicher bzw. zur Dominikus-Hütte und von dort steigen wir auf zum Friesenberghaus. Gesagt und genauso getan. Bei unserer Rast auf der Breitlahner Hütte regnet es, ebenso bei der kurzen Busfahrt. Wir steigen aus dem Bus und die Sonne scheint kurz. Dann „ziehen“ wir in 2 Stunden die 800 Höhenmeter hinauf zum Friesenberghaus, begleitet von Nebelschwaden und kurzen sonnigen Momenten. Gut gelaunt betreten wir unsere höchst gelegenen Unterkunft. Der Hüttenwirt hat uns „überholt“ und oben gemeint: „Ihr gehts guat.“ Balsam auf die Seele. Ich freue mich, dass wir diese Hütte als Stützpunkt haben, ein wichtiger „Zeitzeuge gehen Hass und Gewalt“. Die Hütte wurde von der Sektion Alpenland (jüdische Alpenvereinsmitglieder, die 1928 aus dem AV in Berlin und Wien ausgeschlossen wurden haben sie darin wieder zusammengetan) 1928-30 erbaut. Heute steht ein Mahnmal vor der Hütte. Jeder Stuhl in der Gaststube trägt auf der Rückseite den Namen von ermordeten Sektionsmitgliedern. Ganz wenige nur haben die NS-Zeit überlebt. Nachdenklichkeit und ein schöner gemeinsamer spielerischer und lustiger Abend beschließt den Tag der Improvisation.

Vor dem Ziel ins Tal abgebogen

Die letzte Rund „Liagn“ (Lügen) am Vorabend hat die Frühstückszeit ergeben: nicht 7 sondern 1/2 8. Wir hätten es nicht „ausliagn“ müssen, weil aufgrund der Höhenlage ohnehin alle früher wach waren. Das Wetter war nicht gerade sonnig. Nebelschwaden und Regen halten uns aber nicht ab, die anberaumten 7-8 Stunden auf die Gamshütte anzugehen.  Der wunderbar angelegte und geführte Weg war gut begehbar. Die beiden ersten Stunden waren vor allem auf nassem Stein vorsichtigst zurückzulegen. Dann wurde der Weg immer „gatschiger“. Und der Regen hat das alles noch verschärft. Wir erinnern uns an die Wegbeschreibung mit dem Wort „ACHTUNG: Bei Nässe Rutschgefahr“. Das verleitet uns nach einem  gemütlichen Aufenthalt (mit kurzen sonnigenAbschnitten und wunderbarem Panoramablick) auf der Pitzenalm trotzdem zur Entscheidung: Abstieg ins Tal. Ich telefoniere mit der Hütenwirtin von der Gamshütte und sie kann das sehr gut verstehen, dass wir nicht mehr kommen. Um 16 Uhr sind wir nach 7 Stunden GEH-Zeit in Rauth südlich von Ginzling bei der Bushaltestelle. Von dort transferieren wir uns nach Mayrhofen und weiter zurück nach Oberösterreich nicht ohne noch gemeinsam bei einem guten Abendessen die Tage am Berliner Höhenweg zu beschließen.

Fest steht:
Wir werden und müssen wieder kommen, um die „ausgelassenen Scharten, Berge und Hütten“  kennen zu lernen.

It’s always competition: No!

Mit großem Gewinn habe ich in den letzten Tagen das Buch von Frans de Waal „Das Prinzip Empathie“ gelesen. Schon der Untertitel „Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können“ besagt, dass in großem Maße das Verhalten von Tieren für den Menschen Ansporn sein kann, seine angeborene Fähigkeit und Kraft zur Empathie, zum gegenseitigen Mitgefühl wieder mehr zu entdecken. Nicht der dauernde Wettbewerb wird uns retten, sondern das tiefe Empfinden und Einstehen füreinander. Was Tiere können, ist der Mensch dabei, außer Acht zu lassen.

Überall Wettbewerb

Janne Teller und andere Experten haben beim Symposium in Gmunden darauf hingewiesen, „dass der Mensch heute sich in einem dauernden Wettbewerb befindet.“  Das schätzen sie als ungesund ein. Überall geht es darum, besser und schneller als der andere zu sein. Marketing-Experten sprechen sogar von einem Art „Spermien-Verhalten“: Schnell, schnell, damit man der erste ist bei der Eizelle. Auch in der Wissenschaftswelt wird das zum Großteil immer wieder behauptet: Wir stehen in einem dauernden Wettbewerb der Besseren. Die Wirtschaftspolitik hat sich in letzter Zeit ja auch darauf konzentriert, Regionen und Wirtschaftsräume mittels „Studien“ zu vergleichen. Ziel: Lernen von den Goldmedaillengewinnern. „Oberösterreich liegt nur auf Platz 7“ – klingt es dann  aus dem Radio und ich kann nicht genau sagen, welcher Wettbewerb gerade gelaufen ist. Die Antwort lautet in jedem Fall: Wir müssen unter die ersten 3 kommen.  Es geht also immer um Platz 1. Das ist das Paradigma.

Empathie bei den Tieren

Frans de Waal weist nach, dass unter Tieren (Affen, Vögel, Elefanten,…) viel mehr Kooperationsverhalten und gegenseitige Hilfestellung da ist, als wir gemeinhin glauben. Gerade das falsch dargestellte Darwin‘sche Prinzip  – der Stärkere setzt sich durch – verdirbt in dieser Richtung unser Wahrnehmung. De Wall schildert Elefanten, die gemeinsam auf erstaunliche Weise ein Junges aus einem Schlammloch retten oder einen Sterbenden noch unbedingt füttern wollen. Eine Katze geht durch das Altersheim und legt sich zu jenem Bewohner, der als nächstes sterben wird. 25 Personen hat so dieser Kater beim Sterben begleitet. Unzählige Beispiele von Empathie  sind erzählt. Oft werden diese Beobachtungen als „Anekdoten“ abgetan.  Persönlich finde ich es spannend, dass dieses Verhalten unter Tieren durch Vorbild und Imitation gelernt wird. Dazu braucht es immer Körperkontakt und unmittelbare Nähe.

Körperliche Nähe ist entscheidend für Empathiebildung

Heute sehen wir, dass Menschen zwar unendlich viel kommunizieren, sich aber immer weiter voneinander entfernen. Nachahmung (hin zu Empathie) verlangt eine Identifikation mit einem Körper aus Fleisch und Blut. Unser Gehirn ist nicht wie ein kleiner Computer, der den Körper herumkommandiert, vielmehr ist die Körper-Gehirn-Beziehung eine Zweibahnstraße. Der Körper ruft innere Empfindungen hervor und kommunziert mit anderen Körpern: Auf diese Weise erarbeiten wir soziale Bindungen und eine Einschätzung der uns umgebenden Wirklichkeit.  Das Forschungsfeld der verkörperten Kognition steckt noch in den Kinderschuhen, ist aber von weitreichender Bedeutung für das Verständnis menschlicher Beziehung.  Da sind wir allerdings in der Realität ganz woanders. Menschen kommunizieren digital und dabei – so scheint es – spielt die körperliche Nähe keine Rolle. Wahrscheinlich ist die (immer größer werdenden) körperliche Distanz unter den Menschen ein wesentlicher Grund, warum das Empathie-Verhalten nicht mehr voll entfaltet wird. Wo körperliche Nähe, dort ist die Chance zur Empathie und dem wettbewerbslosen Dasein am größten.

Den Körper aufwärmen

Bei unseren Chorproben gibt es zu Beginn das „Aufwärmen“ oder „Einsingen“. Das bedeutet, dass wir einander massieren und den Rücken abklopfen. Körperliche Nähe, die nicht jeder wünscht. Und doch empfinde ich es als eine Wohltat, dass wir uns zuerst körperlich näher kommen, bevor wir unsere Stimmen zusammenlegen zu einem Lied. Es besteht die Chance, dass selbst unser Gesang ein empathisches, strahlendes und leuchtendes Miteinander wird und nicht nur eine Aufführung oder Darbietung. Es geht gerade hier um keinen Wettbewerb, sondern um das gemeinsame Hineinfühlen in die Noten und Texte, die durch uns zum Ausdruck kommen. Es bleibt dann doch die Frage, ob wir uns aufwärmen für den Wettbewerb oder für die gemeinsame Empathie, ein tragendes Mitgefühl füreinander.  In der Politik sehe ich, dass alles Aufwärmen dem Macht-Wettbewerb gilt. Eigentlich schade. Im Menschen steckt mehr drinnen, als nur der Erste sein zu wollen oder zu müssen.

 

mariataferlGEHEN

Liebe GEHfreudigen!

Schon lange bewegt mich der Gedanke, Maria Taferl zu Fuss von Kirchschlag aus als Pilgerziel anzupeilen. Dafür sind etwa 3 Tage notwendig – so meine  Einschätzung. Nun ist es soweit: Wer möchte, kann gerne mitkommen. Vier sind wir schon.

Start: DI 2. August, 7.00 Uhr bei der St. Anna Kirche

Rückkehr: DO 4. August spät abends.

Wer Lust hat, sich selbst und verschiedene Anliegen auf den Weg zu bringen, ist herzlich willkommen. Wir starten den Tag immer mit einer kleinen Statio. Die Übernachtungen sind in Bad Zell oder Greisinghof bzw. Waldhausen geplant.

Anmeldung bis allerspätestens SO 31. Juli per Email oder auf meine Handy-Sprachbox (0664 8326190), weil ich selbst von 24. bis 31. Juli am Berliner Höhenweg (Zillertal) unterwegs bin.

Das Leben ist zu schön, um es dem Bleiben und Sitzen zu überlassen.
Deshalb: Gemeinsam einem schönen Ziel entgegen.

Es ist unsere Verantwortung für die Zukunft

Es ist schon mehr als 14 Tage her, dass wir in Zürich waren und dort „Zukunftsinstitute“ besucht haben. Es war höchst interessant, worauf es ankommt und wo es hingehen wird bzw. wohin die Gleise gelegt werden. Nicht aus dem Kopf, dem Sinn und dem Herzen geht mir die Bemerkung von David Bosshart vom GDI: „Das Schlimmste ist nicht die Finanzkrise, sondern der rasante Niedergang der Katholischen Kirche.“ Das war vielleicht für die anderen Mitreisenden eine „Nebenbemerkung“, für mich war es wie ein Hammer. Nachher habe ich noch die Zeit genutzt, um genauer bei Bosshart nachzufragen und er meinte: „Ja, wer steht heute noch für Werte und für Solidarität? – wenn nicht die Kirchen?“.  Sie (er redet vorwiegend von der Kath. Kirche) nehmen sich derzeit selbst aus dem Rennen, weil sie die Menschen und die Welt heute nicht ernst nehmen. Sie stolpern außerdem über ihre selbst verursachten Fehler und Fehleinschätzungen.  Die Kirchen kommen in den Eliten nicht mehr vor (Wirtschaft, Politik und vor allem Wissenschaft). Es geht um globale Weltgestaltung. Es geht um „Werte, Rituale und Solidarität, die der Mensch für sein Leben unbedingt braucht.“
Das erinnert mich wieder an das Gespräch mit Rudolf Taschner: „Ich verstehe nicht, warum es der Kirche nicht gelingt, die Sehnsüchte der Menschen zu erspüren und ihnen einen Platz zu geben.“
Meine Sicht heute: Es wird nicht anders gehen, als dass jede und jeder seine Verantwortung tagtäglich dafür übernimmt, „dass die Werte eines liebenden Menschen mit Kraft gefüllt werden, dass die empathischen Rituale für den heutigen Menschen gefunden werden und die Zugehörigkeit zu einer tragenden Gruppe und Gemeinschaft spürbar und erlebbar bleibt – um des Menschen und um Gottes willen.“ Da dürfen wir uns nicht auf die (religiösen) Eliten verlassen – sonst sind wir verlassen. Daran hat doch auch dieser Mann aus Nazaret täglich erinnert.